Waren die Keltenschanzen ein altes System
zur Stabilisierung des Wetters?

Die "keltischen" Viereckschanzen
oder Rechteckschanzen
in der Schweiz

Les enceintes quadrangulaires
ou rectangulaires en Suisse

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Startseite: www.dillum.ch

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Der Artikel ist ursprünglich in der Zeitschrift
EFODON-SYNESIS, Nr. 6 (2000) erschienen.
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Luftaufnahme der Viereckschanze
von Westerheim
auf der Schwäbischen Alb

aus: Günther Wieland: Keltische Viereckschanzen.
Einem Rätsel auf der Spur; Stuttgart 1999 (Ausschnitt)

Diese Anlage in Süddeutschland ist ein schönes Beispiel für einen Rechteckhof, der sich auch in offenem Gelände noch gut abzeichnet. - Der Wall ist größtenteils eingeebnet. doch der Graben auf allen vier Seiten deutlich zu erkennen. - Man beachte auch die typischen Aufwölbungen an den Ecken.

Vorbemerkung

Dem Kreis von http://www.efodon.de sind die sogenannten Viereckschanzen oder Rechteckschanzen oder Keltenschanzen bestens vertraut. Das liegt zum einen auf dem besonderen Augenmerk, welche Gernot L. Geise und andere diesen rätselhaften keltischen Anlagen widmen. Zum andern aber muß festgehalten werden, daß Süddeutschland das hauptsächliche Verbreitungsgebiet dieser Monumente ist – man schätzt die Zahl der sichtbaren und nachgewiesenen Schanzen auf gegen 300. Aus dieser Fülle kann nicht nur die archäologische Bodenforschung schöpfen. Auch eine Deutung, wie sie eben Efodon und Geise versucht, steht damit auf einer breiten Grundlage.

Im folgenden gibt der Autor eine Zusammenstellung der Viereckschanzen oder Rechteckhöfe (französisch: enceintes quadrangulaires ou rectangulaires) der Schweiz, weil eine solche bisher noch nicht gemacht wurde. Dabei sind gegenüber Süddeutschland auf einige Verschiedenheiten in der Ausgangslage hinzuweisen. Vor allem muß hervorgehoben werden, daß hier bisher nur wenige solcher Anlagen festgestellt wurden: Vier oder fünf sind sicher, mehrere weitere lassen sich begründen.

Wissenschaft und Wissensstand
über die Keltenschanzen

Man kann nicht behaupten, daß die offizielle Forschung die keltischen Viereckschanzen oder Rechteckschanzen nicht gebührend berücksichtigt hätte. Nachdem schon K. Schwarz 1959 einen Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen in Bayern herausgebracht hatte, folgte Kurt Bittel 1990 mit einem Atlas, der alle damals bekannten Schanzen in Süddeutschland kartographisch wiedergab. Diesem voluminösen Werk wurde auch ein schmaler Kommentarband beigegeben, der versuchte, die damaligen Erkenntnisse zusammenzufassen.

Zehn Jahre danach ist von Günther Wieland 1999 wieder ein reich illustriertes Sammelwerk vieler Autoren zu dem Thema erschienen. Erstmals werden dort auch Erkenntnisse aus Tschechien und Frankreich, sowie mehrere neu archäologisch untersuchte Rechteckhöfe in Süddeutschland in die Darstellung einbezogen.

Doch wenn man die Substanz der Erkenntnisse von Bittel mit denen von Wieland vergleicht, fällt sofort auf, wie gering die Erkenntnisfortschritte der Archäologie tatsächlich sind.

Weiter muß man sich vor allem auf den positivistischen Befund abstützen, also die allgemeine Charakterisierung der Schanzen. Diese waren – entgegen ihrem Namen – keine Wehranlagen. Deren Grundform war meistens viereckig, rechteckig oder verzogen rechteckig. Keltenschanzen waren von einem wenig hohen Wall umgeben, dem ein wenig tiefer Graben vorgelagert war. - Zudem besaßen solche Rechteckhöfe immer nur einen Torzugang, der meistens nach Osten oder Westen, aber nie gegen Norden ausgerichtet war.

Archäologische Grabungen haben das Bild der Rechteckhöfe verfeinert, aber nicht unbedingt erhellt. Man fand zum Beispiel in den Innenflächen zum Teil sehr tiefe und verfüllte Schächte. Auch konnte man Palisaden auf den Wallkronen nachweisen. Als Bauten ließen sich in diesen Höfen nur Holzhütten feststellen. Eine spätere Bebauung oder Verstärkung scheint nirgends die Regel gewesen zu sein.

Auch die Funde aus solchen Schanzen haben bisher nicht für Aufsehen gesorgt. Einzig einige Anlagen in der Picardie in Nordfrankreich wie Gournay-sur-Aronde und Ribemont-sur-Ancre – die weiter unten ausführlicher erwähnt werden – tragen möglicherweise etwas zu einem differenzierteren Bild der Rechteckhöfe bei.

Einem großen Forschungsaufwand im offiziellen Lager steht auch heute noch ein dürftiger Erkenntnisgewinn gegenüber. Daß auch die Interpretation der Viereckschanzen seit Beginn des 20. Jahrhunderts umherhüpft, verwundert nicht. Sicher scheint man sich nur in der Datierung zu sein: die Anlagen seien „spätkeltisch" - wobei schon die nachfolgenden „Römer" diese nicht mehr benutzt hätten. – Neben der Deutung als befestigte Guthöfe favorisierten die Gelehrten die Erklärung als Heiligtümer und Kultstätten.

Die kultische Interpretation der Schanzen erweist sich als Verlegenheitslösung. Es besteht die Tendenz, alles was man rational nicht erklären kann, als kultisch zu bezeichnen. Sogar die in Schanzen nachgewiesenen Schächte wurden demzufolge zu „Kultschächten".

Wieland deutet in seinem erwähnten Werk die Keltenschanzen als Zentralörtlichkeiten der untersten Kategorie (Wieland; 1999, 20). Diese Begriffsbestimmung verrät schon von der komplizierten Wortwahl her, daß man - entgegen der Aussage des Untertitels des Buches - dem Rätsel noch kaum auf der Spur ist.

Gernot Geise und Efodon hingegen glauben die Keltenschanzen enträtselt zu haben: Sie schreiben den Schanzen eine primär radiästhetische Funktion zu, - Auf diese Deutung wird später zurückgekommen, denn sie verdient als interessante Erklärung besondere Beachtung.

Die Schanzen im System der Landvermessung

Grundsätzlich will der Autor die Schanzen der Schweiz nur beschreiben, nicht deuten. Doch es zeigt sich, daß man diese Anlagen ohne ein Mindestmaß von Interpretation nicht zureichend erfaßen kann. Der Unterschied zwischen einer Keltenschanze und einem gewöhnlichen vorgeschichtlichen Erdwerk ist nämlich oft klein. - Und nur eine allgemeine Erklärung hilft häufig bei der Deutung einzelner Merkmale weiter.

Seit Ende der 1990er Jahre hat der Autor aufgrund einer Neuanalyse der gallorömischen Spuren auf der Engehalbinsel nördlich von Bern eine keltische Landvermessung herausgefunden, die sich für die ganze Schweiz und deren Umgebung als gültig erwies. Es zeigte sich, daß die Landschaft von einem vielfältigen Netz von Orientierungsachsen und Visurlinien überzogen war, das alle möglichen natürlichen Punkte wie Findlinge oder Bergspitzen, aber auch künstlich geschaffene Markpunkte wie Burgen und Tempel, als Fixpunkte hatte. Jeder Punkt war durch seine Position im System der Landvermessung bestimmt.

Grundlage des Systems der keltischen Landvermessung war die Sonnenbeobachtung und die davon abgeleitete Achterteilung des Kreises. Daraus ergab sich nicht nur die Nord-Süd-, beziehungsweise Ost-West-Achse, sondern auch eine Sonnenwendachse mit einer Halbierenden und einer Drittelung.

Zusätzlich wurden die gesetzten Sonnenaufgangswerte für die vier keltischen Hauptfeste im Jahr, die anfangs Februar, anfangs Mai, anfangs August und anfangs November waren, zu zwei Hauptazimuts zusammengefaßt (61° NE und 101° SE), zusammen mit ihren Komplementärwinkeln (150° SE und 12° NE), so daß sich ein kompliziertes Vermessungssystem ergab. Dieses erlaubte, jeden Punkt und jede Linie in das System zu bringen.

Die keltische Landvermessung, die der Autor mit immer mehr Fixpunkten und Rechnungsbeispielen erweitert, erwies sich als nützliches Werkzeug, um vorgeschichtlichen Strukturen zu verstehen. Beispielsweise zeigte sich, daß Burgen und Oppida häufig nach vermessungstechnischen und geometrischen Prinzipien strukturiert waren. - Die alte Limitation erlaubt also etwa, die Orientierung alter Wälle zu bestimmen.

Und besonders bei den wenigen Viereckschanzen der Schweiz zeigte sich, wie wertvoll die Hinweise aus der alten Vermessung sind. Die Rechteckhöfe sind als eigentliche „Meßhöfe" aufzufassen, die unter anderem auch der Vermessung des Landes – und sogar der Erde – dienten. - Ein Forscher nannte diese Schanzen nach einem Azimut von anfangs Februar auch (Mariä) „Lichtmeßhöfe".

Die Erkenntnisse über die keltische Limitation des Schweizer Mittellandes werden bei den nun folgenden Beschreibungen angewandt und sind in die Pläne eingeflossen.

Die einzelnen Anlagen

Bremgartenwald bei Bern

Die Schanze befindet sich im Grossen Bremgartenwald im Westen der Stadt Bern, auf einem leicht überhöhten Plateau, G'Schuntne-Hubel genannt. Das Monument wurde schon Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Berner Altertumsforscher Albert Jahn beschrieben und skizziert. Als keltische Anlage jedoch wurde sie erst zu Beginn der 1960er Jahre erkannt. - Aus dieser Zeit stammt auch die äußerst exakte Vermessung.

Plan der Schanze im Bremgartenwald bei Bern

Planaufnahme von anfangs der 1960er Jahre (Äquidistanz: 25 cm)

aus: Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums in Bern, Jg. 1963/64; S. 373

Bearbeitung: Autor

Die Keltenschanze im Bremgartenwald wird auch in dem folgenden Buch behandelt:

Die Ursprünge Berns. Eine historische Heimatkunde Berns und des Bernbiets.
Mit einem autobiographischen Anhang (2022)

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Die Viereckschanze bildet ein Trapez, dessen Westseite – die als einzige noch in der ganzen Länge feststellbar ist – eine Länge von etwa 52 Metern hat. Die Nord- und Südseite sind auf etwa zwei Drittel ihrer Länge im Gelände noch mit Mühe zu erkennen, während die Ostseite ganz zerstört ist. – Ältere Planaufnahmen zeigen, daß die Orientierung der verschliffenen Ostseite vor Jahrzehnten noch sichtbar war.

Die Überhöhung der Schanze ist an der Westseite deutlich erkennbar, desgleichen der erhöhte Randwulst der SW-Ecke. An allen drei feststellbaren Seiten ist ferner der Graben noch schwach zu erkennen. – Zwei Findlinge vor der Mitte der Nordseite dienten offenbar der Positionierung. – Von einer Toranlage ist nichts mehr zu sehen, sie ist auf der zerstörten Ostseite annehmen.

Die vom Verfasser gemessenen Orientierungen von 340° NW, 61° NE und 330° NW (gegen Osten) sind durch Rechnungen belegt.

Eine besondere Bedeutung kommt der Schanze im Bremgartenwald zu, weil die Nordostecke ein Eck im sogenannten Doppelquadrat von Bern bildet, einer keltischen Vermessung, welche die Aare-Schlaufe von Bern zum Mittelpunkt hat.

Folgendes sind die Beziehungen in dem Doppelquadrat:

Von der NE-Ecke der Schanze beim Punkt 567 trifft die 330°-Linie nach 2,5 keltischen Meilen (Leugen) auf den Schalenstein am Gurten; in nordöstlicher Richtung die 61°-Orientierung nach 1,25 Leugen (1 Leuga = 2225 m) auf die Arena in der Mitte der Engehalbinsel.

Des weiteren liegt die Keltenschanze im Bremgartenwald auf einer Linie zwischen dem gallorömischen Tempelbezirk von Gumpboden auf dem Jensberg südlich von Biel und dem gallorömischen Tempelbezirk von Allmendingen bei Thun. – Diese vermessungstechnischen Erkenntnisse belegen, daß die Viereckschanzen in den gleichen kulturgeschichtlichen und chronologischen Zusammenhang gehören wie die übrigen Anlagen.

Die Nähe der Viereckschanze im Bremgartenwald zum alten Bern und zum alten Oppidum von Brenodurum (Bremgarten) bei der Enge ist offensichtlich.

Bemerkenswert ist ferner etwa 500 m westlich der erwähnten Keltenschanze der sogenannte Glasbrunnen, eine angeblich "warme" Quelle.

Bremgartenwald bei Bern: "Nägelis-Schlössli" auf dem Nägelisboden

Nur 250 Meter von der Viereckschanze im Bremgartenwald - von dieser durch einen Tal-Einschnitt mit einer Strasse getrennt - findet sich auf einem Plateau eine weitere rechteckige Struktur. Das betreffende Waldgelände heißt Nägelisboden. Von dort erhielt das genannte Objekt den Namen Nägelischloß.

Das Erdwerk auf dem Nägelisboden
im Bremgartenwald bei Bern

Planskizze: Autor

Die Anlage ist unter mehreren Gesichtspunkten interessant und rätselhaft zugleich.

Von der Struktur her zeigt das kleine Objekt alle Merkmale einer Viereckschanze: Das regelmäßige Rechteck von ungefähr 15 x 21 Metern hat an den Rändern einen schwach sichtbaren Wall und davor eine deutlich sichtbare Böschung von höchstens 50 cm Höhe. - Eine Ausrichtung nach dem Sonnenaufgangsazimut (54.5° NE) ist wahrscheinlich.

Die vier Ecken der Anlage sind gerundet und deutlich aufgewölbt (vergleiche das untenstehende Foto) - so wie das typisch war für keltische Rechteck-Höfe. - Die Südecke ist allerdings vollständig abgetragen.

Das "Nägelischlössli" im Bremgartenwald bei Bern:
Blick auf die NW-Ecke

Der Eckwulst ist als leichte Erhebung deutlich zu erkennen.

Foto: Autor, 11.5.2006

Auf den Randwülsten sind schwache Mauerspuren zu erkennen. - Offenbar trug die Struktur einstmals eine gemauerte Konstruktion.

Man möchte meinen, daß die Anlage ehemals von einem Wassergraben umgeben war.

Vom Aussehen her ist der Rechteckhof auf dem Nägelisboden im Bremgartenwald eine echte Keltenschanze. - Merkwürdig sind die geringen Ausmaße der Anlage: Mit 21 x 15 Metern unterschreitet sie deutlich alle anderen derartigen Strukturen.

Man meint, daß diese kleine Wallanlage als Muster für die große Schanze südwestlich davon gebaut wurde.

Doch weshalb wurde später eine Mauer auf den Wall gesetzt?

Belle-Croix in Villars-sur-Glâne FR

Die Viereckschanze liegt auf dem flachen, bewaldeten Hügel von Belle-Croix am südwestlichen Rand von Fribourg/Freiburg, auf dem Gemeindegebiet von Villars-sur-Glâne. Die ursprüngliche Anlage bildete ein verzogenes Rechteck mit den größten Seitenlängen von ungefähr 125 x 85 Metern.

Die Orientierungen sind auf drei Seiten noch schwach erkennbar.

Die gegen Süden gerichtete Ecke zeichnet sich im Gelände klar ab.

Die vierte Seite, gegen , ist bei der Anlage eines Wasserreservoirs zerstört worden.

Die Viereckschanze im Wald von Belle-Croix
(Villars-sur-Glâne bei Freiburg/Fribourg)

Planskizze: Autor

Die Viereckschanze von Belle-Croix
im digitalen LIDAR-Bild

Drei Seiten der Struktur sind auch auf dieser Aufnahme zu erkennen.

Die beiden noch sichtbaren Ecken der Schanze sind mit Pfeilen markiert.

Es ist dies von den Massen her eine große Schanze, auf einem nach drei Seiten aussichtsreichen Hügel. Bemerkenswert ist ein Schweif von parallel laufenden Wällen, der sich von der SW-Ecke des Rechteckhofes etwa dreihundert Meter den Abhang bis zum südwestlichen Wald-Ende hinzieht.

Erwähnenswert ist ferner  in 650 Meter Entfernung westlich von der Schanze im Bois de Moncor einer der größten Grabhügel der Schweiz.

Ebenfalls zu erwähnen ist 1,5 Kilometer südlich vom Bois de Belle-Croix liegt die Glane-Burg (Châtillon-sur-Glâne) am Zusammenfluß der Glane mit der Saane. Die Anlage ist als Oppidum anzusprechen, mit einer mächtigen, noch gut erhaltenen Wallbefestigung, welche den Sporn gegen Westen schützt. – In der Umgebung der Glaneburg sind zahlreiche Grabhügel nachgewiesen und teilweise noch sichtbar.

Marin-La Tène NE: Les Bourguignonnes

Der Rechteckhof in der Gemeinde Marin-Epagnier östlich von Neuenburg lag auf einem gegenüber dem Neuenburgersee und der Zihl um dreißig Meter überhöhtem Plateau. Die Anlage wurde 1976 durch die Luftbildarchäologie entdeckt und in den Jahren 1981 bis 1989 durch Sondierschnitte erfaßt. Das Denkmal ist heute vollständig zerstört, der Platz überbaut.

Die Viereckschanze bildete ein verzogenes Rechteck mit Seitenlängen von ungefähr 60, 75, 70 und 80 Metern. - Die beiden Schmalseiten scheinen Winkel von 36° NE (oben) und 42° NE (unten) gehabt zu haben.

Die Viereckschanze von Marin-La Tène
(Kanton Neuenburg)

Lokalname: Les Bourguignonnes

Koordinaten: 567500/206800

Plan: Autor, nach einer archäologischen Aufnahme

Interessant ist die Örtlichkeit, die früher Les Bourguignonnes genannt wurde – ein klarer Hinweis weniger auf die angeblichen Burgunderkriege der alten Eidgenossen, sondern auf alte Bezüge: Aus ähnlichen Gründen heißen viele Viereckschanzen in Süddeutschland im Volksmund „Hunnenschanzen" oder „Schwedenschanzen".

Ebenso interessant, aber nicht beachtet, ist die Schanze von Marin durch die Nähe zu dem berühmten Fundort von La Tène, am Ausfluß der Zihl aus dem Neuenburgersee. In dem Fluß hat man bekanntlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Massenfund von eisenzeitlichen Waffen und sonstigen Gegenständen, sowie von menschlichen und tierischen Gebeinen gemacht. Die Funde waren so bedeutend, daß die Archäologen die (hypothetische) „jüngere Eisenzeit" seitdem La Tène-Zeit nennen. Die meisten Dinge wurden übrigens im Umkreis von ehemaligen Holzbrücken über die Zihl gefunden.

Einen Zusammenhang zwischen dem Rechteckhof und den massenweise weggeworfenen, meistens künstlich deformierten, Schwertern und den übrigen Gegenständen läßt sich erst heute feststellen. Die Untersuchungen in den zwei Viereckhöfen von Gournay-sur-Aronde und Ribemont-sur-Ancre in der Picardie in Nordfrankreich (Brunaux, 1999) führten zur Deutung dieser Schanzen als Kriegerheiligtümer: Man fand in diesen Orten eine Menge von absichtlich zersplitterten Tier- und Menschenknochen, dazu auch absichtlich verbogene und zertrümmerte Waffen. – Es scheint sich bei diesen makabren Stätten also um Trophäen-Monumente, gehandelt haben, in denen man Waffen und Gebeine von Gegnern rituell behandelte und zur Schau stellte.

Ein zweiter Hinweis liegt näher, er kommt aus der Schweiz: Schon um 1850 wurde bei Straßenbau auf dem Tiefenau-Feld in dem östlichen Teil der Engehalbinsel bei Bern ein ähnlicher Massenfund von Waffen und anderen Metallgegenständen gemacht. Auch hier waren viele Schwerter absichtlich unbrauchbar gemacht worden, wie die wenigen noch heute erhaltenen Fundobjekte zeigen.

Der Zusammenhang zwischen den düsteren Trophäenansammlungen der erwähnten beiden Plätze in der Picardie und den Depotfunden von La Tène und der Tiefenau könnte folgender sein: Die Viereckschanze von Marin - Les Bourguignonnes beherbergte möglicherweise die Metallgegenstände, die später aus unbekannten Gründen an die Zihl gekarrt und über die beiden archäologisch nachgewiesenen Holzbrücken in den Fluß geworfen wurden. – Aus demselben Grund kann man in der besagten Tiefenau ebenfalls die frühere Existenz eines Rechteckhofes annehmen, von welchem aber jede Spur verloren gegangen ist.

Jedenfalls belegen diese Beispiele zureichend, daß einige Keltenschanzen eine Nebenbedeutung als Stapel- und Ausstellungsplätze für erbeutete Waffen und für Gebeine hatten.

Bei dem Funden an der alten Zihl (französisch: Thielle) zwischen Neuenburger und Bieler See ist anzumerken, daß die zerstörten Holzbrücken und die menschlichen und tierischen Skelette auch auf eine erdgeschichtliche Katastrophe hinweisen können: Das Ost-Ende des Neuenburger Sees ist seit vorgeschichtlichen Zeiten nachweislich immer mehr vorgerückt. Erst die Juragewässer-Korrektionen des 19. und 20. Jahrhunderts haben diese Entwicklung zum großen Teil rückgängig gemacht.

9; Schüppel bei Ramsen SH

Die Stelle liegt südwestlich von Singen in Deutschland und nördlich des Dorfes Ramsen im Kanton Schaffhausen, am östlichen Ende der Hochfläche des Ramser Schüppels, eines länglichen, bewaldeten Hügelzuges, der sich von Nordwest nach Südost hinzieht und an seiner Südostseite die davor liegende Ebene um gut dreißig Meter überragt.

Die Anlage wurde zuerst 1948 beschrieben. Die Deutung als Keltenschanze wurde zuerst bezweifelt, doch die Merkmale stimmen.

Die Viereckschanze  auf dem Schüppel bei Ramsen,
Kanton Schaffhausen

Koordinaten: 702640/286200

aus: Markus Höneisen (Hg.):
Frühgeschichte der Region Stein am Rhein; Basel, S. 38

Nach dem Plan handelte es sich um ein Rechteck von 95 x 85 m. Die Anlage ist jedoch heute im Gelände fast vollständig verschliffen. Sichtbar sind nur noch die NW-Ecke mit einer Sprunghöhe von etwa einem Meter und die NE-Ecke mit einer Sprunghöhe von gut zwei Metern. Auch ein davor liegender Graben ist an diesen zwei Stellen schwach zu erkennen. – Die Winkelmessung im Gelände ergab, daß die Längsseiten wahrscheinlich 54° NE, die Schmalseiten demzufolge der dazugehörigen Transversalachse 234° NW gefolgt sind.

In 700 m Entfernung des Rechteckhofes auf dem Schüppel wurde 1989 in der Ebene nördlich von Ramsen durch die Luftbildarchäologie eine zweite Schanze im Gelände ausgemacht: Ramsen-Schindergrueb, mit einer Grundfläche von 80 x 80 m (Höneisen, S. 38, Abb.). Für die Schweiz ist dies der vorläufig einzige Beleg, daß die Keltenschanzen häufig in einem Verbund angelegt waren.

Die sogenannte Redoute des Bourguignons bei Vaumarcus NE

Diese Schanze liegt in einem Wald auf dem Gemeindegebiet von Vaumarcus im Kanton Neuenburg, 150 m über dem Neuenburger See, am Rande einer Schlucht zwischen den Weilern Fresens und Vernéaz (Koordinaten: 547000/192450).

Die sogenannte Redoute des Bourguignons
oberhalb von Vaumarcus (Kt. Neuenburg) im LIDAR-Bild

Das Objekt ist von dichtem Unterholz überwachsen.
Das digitale Bild ist somit die einzige Möglichkeit, die Anlage zu erfassen.

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Die Redoute des Bourguignons ist gut erhalten. Der Wall mit einer Außenhöhe von etwa zwei Metern und der Graben auf der Süd- und Westseite sind noch weitgehend intakt. Im Süden wird die Umwallung durch einen Torzugang unterbrochen, der wahrscheinlich alt ist. – Bemerkenswert ist ein großer Findling in der Nordostecke der Anlage. Ebenfalls zu erwähnen sind die vielen erratischen Blöcke auf dem kleinen Plateau im Süden des Hofes.

Die Masse der Anlage betragen ungefähr (im Uhrzeigersinn von N):

52 x 38 x 48 x 32 Meter

Die entsprechenden Azimute: 15° SE x 30°NE x 30° SE x 20° NE

Im digitalen Oberflächenmodell (oben) ist deutlich eine Linie zu erkennen, die von SW zur Anlage führt. Diese Linie hat eine Orientierung von 36° NE, also der Halbierung der Sonnenwendlinie von 126° SE. - Das ist ein Beweis dafür, dass das Objekt alt ist.

Ob man die Redoute des Bourguignons als Keltenschanze ansprechen darf, ist unsicher.

Angeblich sei dies ein Vorwerk der Burgunder gewesen, als diese "1476" Grandson belagerten. - Aber die Burgunderkriege gehören zur fiktiven Geschichte.

Die überlegene Planung der Anlage verbietet die Erklärung eines hastig aufgeschütteten Befestigungswerkes.

Doch die Redoute des Bourguignons ist an strategisch günstiger und beherrschender Stelle angelegt.

Der Autor weiß aus unbestätigten Quellen, daß in unmittelbarer Nähe der Redoute bedeutende keltische Funde gemacht worden sind.

Weitere vermutliche Anlagen

Riedmatt b. Morschach SZ

Ein auffälliger Rechteckhof findet sich auf einem offenem Feld, genannt Riedmatt, in der Gemeinde Morschach im Kanton Schwyz, auf einer Terrasse über dem Vierwaldstättersee und am Fuß der Alpen (Koordinaten: 689600/203260). Die Anlage wurde vom Autor erst einmal besichtigt und muß daher erst noch genau vermessen werden. Es handelt sich um ein leicht verzogenes Rechteck mit Seitenlängen von je etwa fünfzig Metern. – Interessant ist bei dieser Schanze, daß die breiten Gräben aus dem Fels herausgehauen sind; das Monument ist also ein zubehauener Felsstock.

Weil Keltenschanzen sonst Erdwerke sind, so muß hier die Interpretation anders liegen. Morschach-Riedmatt wäre ein Beleg dafür, daß sich Schanzen durchaus bis in die Alpen hinein finden lassen.

Horad bei Aetikofen SO auf dem Bucheggberg

Auf der Südseite des solothurnischen Bucheggberges, dort Ramsenberg genannt, liegt über der Steilkante ein rechteckiges, künstlich abgeböschtes Plateau, Horad oder Schlosshubel genannt. Dieses in der Gemeinde Aetikofen gelegene Objekt möchte man von der Form (unregelmäßiges Rechteck) und den Dimensionen (ca. 75 m Längen und 40/50 m Breite) als Keltenschanze ansprechen. - Doch es fehlen Rand- oder Eckwulste. Auch von einem Graben ist nichts zu erkennen. - Horad bleibt ein rätselhaftes Erdwerk.

Umgebung von Nyon VD

Wie bei Ramsen im Kanton Schaffhausen hat die Luftbildarchäologie auch im Waadtland einen Rechteckhof im offenen Gelände festgestellt: Bei Nyon am Genfersee (Celtes et Romains dans le Vaud, Abb.). Die Luftaufnahme läßt deutlich ein regelmäßiges Rechteck oder Quadrat erkennen.

Süddeutschland als auffälliges Häufungsgebiet
von Keltenschanzen und eine Erklärung

Die Schweiz weist also nur wenige Keltenschanzen auf. Sicher hat es mehr solcher Anlagen im Land gegeben. Es besteht immer noch die Aussicht, daß ein Erdwerk als Schanze erkannt wird. Doch auf eine große Zahl wird man auch in Zukunft nicht kommen. Das Dutzend wird wohl nie vollzählig.

Das steht in völligem Gegensatz zu Süddeutschland. Dort wurden - wie bereits erwähnt - gegen dreihundert solcher Rechteckhöfe festgestellt. Damit übertrifft diese Region mit einer Häufung solcher Anlagen alle anderen Gebiete im übrigen keltischen Mittel- und Westeuropa.

Verbreitungskarte der Viereckschanzen in Mitteleuropa

Die Häufung des Vorkommens dieser Erdwerke in Süddeutschland ist augenfällig.

nach: K. Schwarz 1960. Wiedergabe aus: Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums in Bern, Jg. 1963/64; S. 374

Da stellt sich die Frage, weshalb die Schanzen im Schweizer Mittelland - und auch in Nord- und Mittelfrankreich, aber auch in Böhmen - gegenüber Süddeutschland so spärlich vertreten sind.

Der Autor hat sich lange mit der Frage beschäftigt und kommt auf die Deutung von Gernot Geise und Efodon: Die Keltenschanzen hatten eine radiästhetische Funktion. Sie waren raffinierte Anlagen mit einer geschlossenen Führung von Wasserschlaufen im Inneren des Gevierts. Die Schächte sollten dabei die hydrologischen und radiologischen Gegebenheiten korrigieren. So wirkten diese Rechteckhöfe wie riesige Ionisatoren, lenkten Blitze ab und brachen Gewitterfronten auf. - Die Schanzen dienten also der Stabilisierung des Klimas.

Daraus und besonders aus dem obigen Plan kann etwas anderes erschlossen werden: Wenn die Viereckschanzen die Aufgabe hatten, das Klima zu beeinflussen, so nicht nur lokal und regional, sondern auch kontinental.

Und da Süddeutschland in der rechnerischen Mitte der westeuropäischen Landmasse liegt, so scheint es logisch, gerade dort die konstruktorische Klima-Manipulation zu konzentrieren. Eine Schanze erforderte einen für die Vorzeit großen Arbeitsaufwand. - Weshalb sollten also die Kräfte unter einem übergreifenden Prinzip nicht gebündelt worden sein?

Die Erklärung verdient auf alle Fälle weiter diskutiert zu werden.

Das langsame Verschwinden der Keltenschanzen

Die intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung und die gewaltige Mechanisierung haben in den letzten Jahrzehnten viele vorher sichtbare Spuren ausradiert. Das zeigen die erwähnten alten Planaufnahmen von Schanzen, wie die von Bern-Bremgartenwald und Ramsen-Schüppel. Diese führen noch Spuren auf, die heute im Gelände nicht mehr zu erkennen sind.

Geht die Entwicklung in dieser Richtung weiter, so wird nicht nur von den Keltenschanzen, sondern auch von vielen Erdburgen und Erdwerken, in ein paar Jahrzehnten kaum mehr etwas sichtbar sein. Eine Interpretation der vorgeschichtlichen Monumente wird damit erschwert oder verunmöglicht. Die heutige Forschung und besonders die staatlichen Stellen des Denkmalschutzes sollten erkennen, wie dringend die kartographische Erfassung der noch vorhandenen alten Spuren in der Landschaft ist. - Der Autor versteht diesen Artikel deshalb auch als Aufforderung zur Spurensicherung.

Die keltischen Viereckschanzen sind zu interessant, als daß man ihrem Verschwinden tatenlos zuschauen darf.

Literatur

Amann, Peter (1997): Die Landschaft als keltischer Kalender; in: Zeitensprünge IX, 1, 8 ff.

Archäologie der Schweiz (1991): Die Helvetier und ihre Nachbarn; Sondernummer 14/1

Bittel, Kurt et al. (1990): Keltische Viereckschanzen; Bd. 1.2; Stuttgart

Brunaux, Jean-Louis (1995): Die keltischen Heiligtümer im Nordwesten Galliens; in: Haffner; a.a.O.

Les Celtes dans le Jura (1991); Yverdon-les-Bains (Katalog)

Celtes et Romains dans le canton de Vaud; Lausanne 1993 (Katalog)

Furger-Gunti, Andres (1991): Die Helvetier. Kulturgeschichte eines Keltenvolkes; Zürich

Geise, Gernot L. (1998): Keltenschanzen und ihre verborgenen Funktionen; Hohenpeißenberg

Haffner, Alfred (Hg.) (1995): Heiligtümer und Opferkulte der Kelten; Stuttgart

Höneisen, Markus (Hg.) (1993): Frühgeschichte der Region Stein am Rhein; Basel

Das keltische Jahrtausend (1993); Rosenheim (Katalog)

Müller, Felix (1990): Der Massenfund von der Tiefenau; Basel

Wieland, Günther (Hg.) (1999): Keltische Viereckschanzen. Einem Rätsel auf der Spur; Stuttgart

Die spätkeltischen Viereckschanzen in Süddeutschland – Kultanlagen oder Rechteckhöfe? (1995) in: Haffner; a.a.O.