DIE STIFTSBIBLIOTHEK SANKT GALLEN:

Widerlegung des Märchens
von den "mittelalterlichen" Handschriften

Äußere und innere, aber auch technologische Merkmale,
dazu der gesunde Menschenverstand
 setzen die Manuskripte jener Klosterbibliothek
in das fortgeschrittene 18. Jahrhundert

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Eine zentrale quellenkritische  Erkenntnis:

Die überlieferte Schriftkultur, damit Bibliotheken und Archive, entstanden nach Schätzung des Autors ab 1760.

Und zuerst gab es nur gedruckte Werke. - Handschriften wurden erst später hergestellt und gesammelt.

Handschriften, etwa der Bibel, der Kirchenväter und der antiken Autoren, sind also in den meisten Fällen Abschriften von gedruckten Büchern.

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Das Innere der Stiftsbibliothek Sankt Gallen

Der Bau ist später Barock oder Rokoko, um 1790 anzusetzen.

Die Bestände der Bibliothek, die Handschriften sollen
teilweise tausend Jahre älter sein als der Bau!

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Die Stiftsbibliothek Sankt Gallen:
Weltkulturgut der Geschichtsfälschung

Das Wahrzeichen der Ostschweizer Stadt Sankt Gallen ist die doppeltürmige Stiftskirche als zentraler Teil des einstmalig großen Klosters. Und in diesem Komplex findet sich die berühmte Stiftsbibliothek. Diese hat als Lesesaal einen prachtvollen Raum, der im Stile des späten Barocks oder des Rokoko errichtet wurde (vgl. das obige Bild).

Ebenso berühmt wie das Monument der Stiftsbibliothek Sankt Gallen sind ihre Schätze: 150'000 alte Bücher und über 2000 Handschriften. Der Bestand stellt eine wahre Fundgrube dar für die abendländische Geistigkeit.

Kein Wunder, daß die Stiftsbibliothek 1983 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde.

Solche Ehrungen schmeicheln der Stadt und dem Kanton Sankt Gallen.

Aber wir wollen hier nicht neues Lob zu altem anfügen. Es geht um Behauptungen, die sich um die Schätze der Stiftsbibliothek ranken: Deren Handschriften stammten aus dem "Mittelalter", seien teilweise "über tausend Jahre" alt und enthielten unter anderem "die ältesten Zeugnisse in deutscher Sprache".

Nichts ist daran wahr. Doch mehrere Fachleute sind in offiziellem Auftrag jahrein, jahraus mit Führungen und Vorträgen beschäftigt, das Märchen vom hohen Alter des ehemaligen Klosters und von dessen Handschriften einem ahnungslosen Publikum glauben zu machen.

Die Stiftsbibliothek Sankt Gallen ist nämlich in Tat und Wahrheit zuerst ein zentraler Ort der europäischen Geschichtsfälschung.

Und weil eine absurde Geschichte dort über das ganze Jahr gepredigt wird, ist die Stiftsbibliothek Sankt Gallen auch eine Propaganda-Stätte für das angebliche Mittelalter.

Das Alter der schriftlichen Überlieferung

Die junge Disziplin der Geschichts- und Chronologiekritik hat sich der älteren Geschichte, der "Urzeit", dem "Altertum" und dem "Mittelalter", auch der "Reformation" angenommen und kommt zu anderen und unwiderlegbaren Ergebnissen.

Besonders der russische Forscher A. Fomenko (vgl. hierzu meine Rezension seines letzten auf Englisch erschienenen Werkes History: Fiction or science und ich mit Die Matrix der alten Geschichte (2021) und Die alten Eidgenossen (2019) haben unterdessen so viel Material und Argumente gegen diese abstruse ältere Geschichte zusammengetragen, daß sich diese heute nur noch von Orthodoxen, Dogmatikern und Ignoranten vertreten läßt.

Danach ist die Erdgeschichte viel kürzer aufzufassen, die Entwicklung des Menschen ebenfalls. Und die kulturelle Entwicklung der Menschheit seit der letzten geologischen Katastrophe - fälschlich "Eiszeit" genannt - war ebenfalls kürzer, höchstens ein paar Jahrtausende lang.

Die Entwicklung der alten und heutigen Hochkulturen ist sogar in einem Zeitrahmen zu sehen, der kaum viel weiter als vierhundert Jahre vor heute begann.

Erst dann also entstanden Kulturen, die man heute mit dem wenig treffenden Begriff "Römerzeit" umschreibt.

Und das Mittelalter der Gotik und der Klöster hat vor etwa  300 Jahren begonnen.

Die Glaubensspaltung, fälschlich "Reformation" genannt, scheint ein Bündel von Ereignissen gewesen zu sein, das man in die Zeit vor etwa 270 Jahren ansetzen muß.

Die heutige Zeitrechnung mit ihren vierstelligen arabischen Zahlen wurde etwa um 1760 entwickelt. - Wir dürfen also erst von dort weg die Datierungen gebrauchen, welche Historiker unbedenklich auf eine märchenhafte Vorzeit anwenden:

Und so jung wie die heutige Zeitrechnung ist auch die erhaltene schriftliche Überlieferung. Schriftlichkeit und christliche Zeitrechnung sind zur gleichen Zeit, etwa um 1760 entstanden.

Ergo haben wir für die Zeit vorher keinerlei zuverlässige und erhaltene schriftliche Quellen.

Und vor allem können wir nicht datieren. Eine Epoche "Mittelalter" zu behaupten, ist ein starkes Stück. Und diesen Zeitraum mit "500 - 1500 AD" zu versehen, ist hirnrissig. - Alles was vor einer bestimmten Zeit war, ist schwärzeste Geschichtsnacht.

Wenn Historiker und Archäologen demgegenüber mit angeblich sicheren naturwissenschaftlichen Datierungen für ferne Zeiten aufwarten ("Dieser Baumstamm wurde vor 3591 Jahren gefällt"), so ist das Schwachsinn in der vierten Potenz.

Das hartnäckige Dogma
von einem "Mittelalter"

Noch mehr als das Altertum, so wird das "Mittelalter" von einer hochbezahlten Gilde von staatlich angestellten Fachleuten, von Mediävisten, Archivaren, Mittelalter-Archäologen, Kunsthistorikern und Philologen gepflegt und gehätschelt.

Nach einer endlosen "Antike", also den "Griechen" und "Römern", sei "vor 1500 Jahren" ein "Mittelalter" entstanden. Dieses habe zuerst nur aus tumben Bauern, germanischen Barbaren und räuberischen Horden von Hunnen, Wikingern, Ungarn und Awaren bestanden. - Trotzdem seien in dieser entsetzlich armen und kriegerischen Zeit die schönsten Handschriften und wertvollsten Kunstgegenstände entstanden. Und nur Mönche hätten während der ganzen Zeit lesen und schreiben können.

Nach dem Jahr "1000" seien dann die meisten Klöster gegründet worden.

Doch in der Schweiz existierten angeblich die Klöster Moutier-Grandval im Berner Jura, Münster im Münstertal und vor allem Sankt Gallen Jahrhunderte vorher. - Obwohl es in diesen dunklen Jahrhunderte angeblich keine allgemeine Bildung, kein Münzwesen und kein faßbares Staatswesen gab.

Reste gibt es von diesen uralten Klosteranlagen natürlich keine mehr. - Aber wen kümmert dies?

"Um 1100" hätte die abendländische Christenheit mit fünfhundertjähriger Verspätung das heilige Land Palästina von den Ungläubigen zurück erobert - aber nach hundertfünfzig Jahren wieder verloren.

"Um 1200" seien dann Städte entstanden - Jahrhunderte nach den Klostergründungen.

Die Städte hatten offenbar nur ein einziges Ziel. Sie erbauten in qualvoll langen Jahrhunderten gewaltige gotische Dome - die aber erst in der Neuzeit fertiggestellt wurden.

Und in diesem tausend Jahre währenden Mittelalter schrieb man immerfort die gleichen Texte der Bibel und der Kirchenväter ab, schrieb Latein und verschenkte Grund und Boden an Klöster und Stifte.

Wer glaubt noch an dieses Märchenbild von einem angeblichen Mittelalter?

Sogar der Anfang der Neuzeit ist noch erfundene Geschichte: Eine Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts anzusetzen, ist absurd. - Die heutigen Hochreligionen, also die römischen Bekenntnisse, die protestantischen Richtungen und das Judentum und der Mohammedanismus, haben sich erst im 18. Jahrhundert ausgebildet.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Weiter als knappe drei Jahrhunderte können wir in der Geschichte nicht zurückblicken. Und weiter als dreihundert Jahre vor heute wird jede vage Hypothese problematisch.

Das Beispiel der Stiftsbibliothek zeigt bei einer Analyse, daß die behaupteten fernen Epochen viel näher bei der Jetztzeit liegen.

Die absurde angebliche Geschichte
des Klosters Sankt Gallen

Der Ursprung des Klosters Sankt Gallen liegt in absurder zeitlicher Ferne, irgendwo zwischen Steinzeit und Bronzezeit angesiedelt:

720 (nach Christus!) gründete der alemannische, aber in Rätien am Bischofshof in Chur erzogene Priester Otmar an der Grabstätte des Gallus, wo sich ja schon immer eine kleine Einsiedelei befunden hatte, das Kloster St. Gallen. In der Folge unterstellte er es der Benediktinerregel. Den Auftrag zur Gründung gab ihm der Tribunus Waltram von Arbon, der Grundherr der Gegend. Unterstützt wurde er aber auch vom Präses Viktor und den alemannischen Herzögen.

(Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. 1, Zürich 1972, S. 119)

Die geballte Ladung an historischem Schwachsinn, die in diesen Zeilen enthalten ist, zeigt daß die offiziellen Historiker nichts, aber auch gar nichts überlegen.

Aber es kommt immer besser und immer schlimmer mit dem eben gegründeten Kloster Sankt Gallen:

Dank der Schenkungen, die seit dem Ausgang des 8. Jahrhunderts rasch zunahmen und um die Mitte des 9. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichten, wurde St. Gallen zu einem der reichsten karolingischen Königsklöster. So entstand ein in unzählige kleine und kleinste Einzelstücke aufgesplitterter Großgrundbesitz, nicht etwa ein zusammenhängender Besitz, das im Großbetrieb hätte bebaut werden können. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts dürften es schätzungsweise 4000 Hufen oder 16000 Jucharten gewesen sein, die sich im Raum zwischen Limmat, der Aare und Donau, d.h. in ganz Alemannien verteilten.

(Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. 1, Zürich 1972, S. 133)

In ganz Alemannien also hätten die freien Bauern während Generationen nur gearbeitet, um ihren Besitz hernach dem Kloster Sankt Gallen für ein Mütt Korn oder ein paar Eimer Bier zu verschenken.

Und die Verwaltung des riesigen Splitterbesitzes stellte für das Kloster offenbar überhaupt kein Problem dar: Die Kastellane reisten in Autos mit Allrad-Antrieb und über Bundesfernstrassen und Autobahnen den unzähligen Besitzungen nach, modernste Glasfasertechnologie ermöglichte  eine perfekte Vernetzung der Wirtschaftsbetriebe, und die Zahlungen liefen online über die Credit Suisse

Noch bis weit nach "1000 AD" soll Sankt Gallen reich, mächtig und berühmt gewesen sein. Doch dann sank der Stern dieser einzigartigen "Kulturinsel" in einem barbarischen und kaum christianisierten Europa.

Die europäischen Klöster entstanden sonst alle "im 11. Jahrhundert". - Aber das kümmert die Historiker nicht. Hauptsache das Märchenkloster Sankt Gallen war älter, berühmter, reicher.

Im "Spätmittelalter" war das Kloster Sankt Gallen nur mehr eine Abtei unter vielen. - Und mittlerweile war außerhalb der Umfassungsmauer jenes Märchenklosters auch eine Stadt entstanden. - Klöster ohne Städte und ohne Infrastruktur?

Die Umbruchszeit nach dem Einmarsch der Franzosen in die Schweiz 1798 bedeutete das Ende des Klosters Sankt Gallen. Dieses wurde 1805 aufgehoben.

Aber der Ruhm des Klosters ist geblieben. Und vor allem die erdichtete Vergangenheit: Das in ganz Europa berühmte und reiche Sankt Gallen in der Märchenzeit der "Karolinger" im "9. Jahrhundert nach Christus" - und später.

Die wahre Geschichte auf den Kopf gestellt

Auch offiziell wird die Geschichte des Klosters Sankt Gallen "vom 7. Jahrhundert AD" bis zu seiner Aufhebung als gewaltiges zeitliches Decrescendo verstanden: Von einem goldenen Zeitalter ("Karolingerzeit")  sei es zu einem silbernen Zeitalter ("Hochmittelalter"), dann zu einem eher unbedeutenden Spätmittelalter und einer völlig unbedeutenden Neuzeit gekommen.

Anders ausgedrückt: Der Glanz der frühen ersten Jahrhunderte ("7. bis 10. Jahrhundert") habe ausgereicht, einen endlosen Niedergang über acht (!) Jahrhunderte zu überstrahlen.

Bewiesen wird diese abstruse Behauptung angeblich durch den Handschriftenbestand. Von den 2000 Manuskripten sollen nämlich ein Fünftel aus der Zeit "bis 1000 AD" stammen. - Und gerade unter diesen finden sich die schönsten und wertvollsten Stücke, die heute den Stolz der Bibliothek ausmachen.

Nun überlege man sich einmal: Das Kloster habe 1000 lange Jahre bestanden - schon im erdgeschichtlichen Sinne eine beachtliche Zeit. Und gleich am Anfang habe dieses Zentrum nicht nur die größten irdischen Reichtümer an Grund und Boden an sich gezogen, sondern auch die größten Künstler, die wertvollsten Manuskripte und die talentiertesten Schreiber.

Wie eine Insel in einem europaweiten Meer der Barbarei und des Elends habe es in Sankt Gallen vor 1200 Jahren alles gegeben, was sonst erst in der Neuzeit geschaffen wurde: Gutsbetriebe, Verwaltungsstrukturen, illustre Geistigkeit, Bücher und natürlich finanzielle Mittel in Hülle und Fülle.

Weshalb studieren die heutigen defizitgeplagten europäischen Finanzminister nicht die Finanzen des Klosters Sankt Gallen "zur Zeit Karls des Grossen"? - Vielleicht würden sie dort den Stein des Weisen finden, mit dem sich ihre Haushaltslöcher stopfen ließen.

Lassen wir die Ironie und suchen die Wahrheit in der Behauptung eines tausendjährigen Verfalls des Klosters Sankt Gallen heraus.

Normalerweise wächst eine Gemeinschaft oder eine Kultur aus unscheinbaren Anfängen bis zu einem kulturellen, wirtschaftlichen oder machtpolitischen Höhepunkt.

Auf die Geschichte von Sankt Gallen übertragen heißt das:

Gemäß der Geschichts- und Chronologiekritik ist das christliche Kloster vor weniger als dreihundert Jahren entstanden.

Und die Handschriften- und Bücherschätze der Stiftsbibliothek können den Beginn der allgemeinen europäischen Schriftlichkeit nicht unterschreiten. Die Anfänge schätze ich auf die Zeit von vielleicht 1760/70.

Das Kloster Sankt Gallen hörte 1798 - 1805 auf.

Die gesamten alten Schätze der Stiftsbibliothek - sowohl die Handschriften wie die Bücher - müssen also in kurzer Zeit, innerhalb von zwei Generationen - in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts - entstanden sein.

Die märchenhafte Geschichte des Klosters Sankt Gallen, mit ihrer theologischen Dreiteilung in goldenes, silbernes und ehernes Zeitalter, ist widerlegt.

Doch die heutigen Mittelalter-Propagandisten der Stiftsbibliothek tun weiter so, als stehe die Geschichte tatsächlich auf dem Kopf. Ihre Schwärmerei von der goldenen Karolinger-Zeit, von "Alkuin" und "Walafrid Strabo", kennt keine Grenzen und wirkt für den kritischen Betrachter peinlich.

Das heutige Kloster Sankt Gallen kann erst im 18. Jahrhundert entstanden sein. Und der Baubestand der Abtei stammt vollumfänglich aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Die Sankt Galler Äbte hätten also den Rokoko-Bau der Stiftsbibliothek tausend Jahre nach den Handschriften gebaut.

Haben  die Handschriften etwa ein Millenium lang draußen im Regen oder in hölzernen Schuppen gelagert?

Vermutlich spüren auch die Propagandisten einer mittelalterlichen Entstehung des Klosters, daß sich ihre Geschichte nicht reimt:

Wie soll in der Barockzeit ein prachtvoller Klosterkomplex mit Kirche und Bibliothek hochgezogen worden sein, während drinnen bei den Mönchen und Äbten in geistiger Hinsicht nichts, aber auch gar nichts mehr lief?

Wurde die Stiftsbibliothek Sankt Gallen in dem letzten Jahrhundert vor der Französischen Revolution nur noch von Kretins oder Volltrotteln betreut?

Die Mittelalter-Propagandisten der Stiftsbibliothek geben darauf die richtige, allerdings umgekehrte Antwort:

Von einer qualitativ hochstehenden und breit abgestützten St. Galler Buchkunst kann im 17. oder 18. Jahrhundert nicht mehr gesprochen werden, auch wenn vereinzelt von mehr oder weniger talentierten Mönchen noch dann und wann im Auftrag des jeweiligen Abtes repräsentative Handschriften geschaffen wurden.

(CImelia Sangallensia, Sankt Gallen 2000, S. 10) 

Im Klartext heißt dies:

Die Handschriften der Stiftsbibliothek Sankt Gallen stammen sämtlich aus dem 18. Jahrhundert. - Grundsätzlich wurden bis zur Aufhebung des Klosters Manuskripte hergestellt und zugekauft.

Die Stiftsbibliothek ist in diesem Sinne kein Museum der mittelalterlichen Buchkunst, sondern ein Ort, in dem sich die Fälschung der mittelalterlichen Quellen studieren läßt.

Widerlegung des Alters der Handschriften
an Hand ausgewählter Beispiele

Der Platz und die Zeit reicht nicht aus, um auch nur die wichtigsten Handschriften der Sankt Galler Stiftsbibliothek ihrer falschen inhaltlichen und zeitlichen Zuschreibungen zu überführen.

Doch ein paar Beispiele reichen im Grunde aus. Und sie sollen für den kritischen Beobachter Anstoß sein, die Legende vom Mittelalter an weiteren Zeugnissen zu widerlegen.

Fünf Beispiele werden hier besprochen:

1) ein Isidor-Fragment

2) der sogenannte Folchart Psalter

3) die Nibelungen-Handschrift B

4) die Sankt Galler Dracula-Handschrift

5) eine sogenannte Vollbibel aus Tours (Turoner Bibel)

Fragment eines Textes aus "Isidor von Sevilla":
Etymologiae, angeblich "7. Jh. AD"

aus: Cimelia Sangallensia, St. Gallen 2000, S. 21

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Der Darstellung Cimelia Sangallensia nennt diese Pergamentstücke geschmacklos eine "irische Handschriftenreliquie" (S. 20). - Man solle alte Handschriften also nicht wie normale Forschungsgegenstände anschauen, sondern wie Reliquien anbeten!

Wo Anbetung gefordert wird, da ist Kritik verpönt.

Irland war eine Insel, die nie zum "Römischen Reich" (das vielleicht um 1700 existiert hat) gehört hatte. - Und trotzdem soll Europa sein Christentum von dort bekommen haben! - Wo bleibt denn da die geschichtliche Logik?

Doch bekanntlich hätte der "heilige Gallus" aus Irland das Kloster in der Ostschweiz gegründet und ihm den Namen gegeben.

Und um dieses Märchen zu stützen, haben die barocken Mönche von Sankt Gallen besonders viele irische und angelsächsische Manuskripte hergestellt und eingekauft.

Obwohl Irland fern von Zentraleuropa liegt, hatten die Christen dort - offenbar dank Internet - beste Verbindungen zu Spanien und besonders zu einem Polyhistor namens "Isidor von Sevilla". - Dieser Enzyklopädist wurde eigens dazu geschaffen, um ein Bild vom "Mittelalter" zu schaffen, wie wir es kennen: fleißig (Lexikon!), gläubig (Spanien, das katholische Land par excellence), manchmal einfältig (der Inhalt des Isidor ist stellenweise zum Lachen).

Und es gab noch einen anderen Grund, weshalb die Klöster gerne irische Handschriften, besonders als Fragmente herstellten: In Büchern verarbeitet oder hineingeklebt, galten Iren-Texte als Heilmittel gegen Aberglauben! 

Die Schrift dieser Fragmente ist eine sogenannte irische Nationalschrift. Darunter versteht man Schriften, die man in der Folgezeit nicht mehr hätte lesen können und die deshalb "unter Karl dem Grossen" durch eine Schriftreform ersetzt wurden.

Doch diese Texte sind noch heute sehr gut lesbar - viel besser als viele Schriften der "Neuzeit"!

Und das Fragment stammt aus der Neuzeit: Man beachte die ganz unmittelalterlichen eben durchaus barocken Schnörkel vor und in den großen Initialen der Abschnitte!

Das angebliche 7. Jahrhundert entlarvt sich von selbst als die großsprecherische und verschnörkelte Barock-Zeit!

Und ein Isidor konnte es erst geben, als die spanische Nation geschaffen war - ab Mitte des 18. Jahrhunderts!

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Eine Initiale aus dem sogenannten Folchart-Psalter

Sogenannter Folchart-Psalter: Initiale Q (quid) des 51. Psalms: Gold und Silbertinte auf Purpur

aus: Cimelia Sangallensia; St. Gallen 2000, S. 89

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Dieses berühmte Werk der "mittelalterlichen" Buchmalerei ist zugegeben sehr schön. Und so finden sich kunstvoll ausgearbeitete Initialen aus jener Handschrift häufig in Büchern zum Thema abgebildet.

Schönheit darf jedoch nicht dazu verleiten, Kritik zu unterdrücken. Aber genau das tun die offiziellen Fachleute.

Bei dem Folchart-Psalter geraten sie regelrecht ins Schwärmen, "es verschlägt dem Betrachter den Atem", schreibt ein Forscher.

Dem Kritiker aber verschlägt es höchstens den Atem ob den unverschämten und frechen Behauptungen, welche um diese Psalter-Handschrift geboten werden:

Der Folchart-Psalter sei "zwischen 864 und 883 AD" entstanden - in grauer Vorzeit also, aber nichtsdestoweniger genau datierbar.

Die Bibel hat es in dieser unendlich fernen Zeit natürlich schon gegeben. - Und ihr Text wurde in 1200 Jahren nie um ein Jota verändert.

Aber diese Handschrift kann nicht älter sein als gegen 1780/90. - Ein technologisches Argument widerlegt jede frühere Entstehung:

Die Gold- und Silberschriften jener "karolingischen" Handschriften verlangten als chemische Bestandteile Gold- und Silbernitrat-Lösungen. Diese aber hat ein Böhme namens Johannes Glauber im 18. Jahrhundert erfunden.

Aber Historiker und Philologen sind bekanntlich "Geisteswissenschafter", die sich einen feuchten Dreck um Technik und Technologie kümmern!

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Die Nibelungen-Handschrift B

Ausschnitt einer Seite mit einer Initiale mit Mönchskopf

aus: Cimelia Sangallensia, St. Gallen 2000, S. 151

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Die Nibelungen-Sage ist ein beliebter Stoff und ein dankbares Thema, sowohl für Antiquare wie für Literaten und Altertumsforscher. - Die Romantik hat dieser Schwärmerei für "uralte" deutsche Dichtung die Krone aufgesetzt.

Zehn vollständige und 24 unvollständige Handschriften der Nibelungen zeugen von dieser Begeisterung.

Schon hier eine erste Frage zur Datierung: Sind die ältesten Handschriften überhaupt drei Jahrhunderte alt? - Es macht den Anschein, als seien die Nibelungen ein Gewächs vornehmlich des letzten Fünftels des 18. und teilweise schon des frühen 19. Jahrhunderts.

Mittelhochdeutsch ist NACH dem heutigen Deutsch geschaffen worden. Die mittelhochdeutschen Dichtungen (Wolfram von Eschenbach, Neidhart von Reuental, usw.) täuschen ein hohes Alter nur vor.

Die Herkunft der obigen sogenannten Sankt Galler Handschrift B weist jedenfalls klar in diese genannten Zeiträume.

Diese Nibelungen-Handschrift soll dem Polyhistor "Aegidius Tschudi" gehört haben. Jener angebliche Vielschreiber aber kann frühestens gegen 1780 seine umfangreichen Werke und seine noch umfangreichere Sammlung an Münzen, Inschriften, Urkunden und Handschriften angelegt haben.
Wahrscheinlich steht dahinter nicht eine einzige Person, sondern ein verschworener Gelehrten-Kreis.

Ins Kloster Sankt Gallen sei die Nibelungen-Handschrift "1768" mit 119 (!) weiteren Manuskripten gekommen. Und als Verkäufer traten "die Erben des Aegidius Tschudi" auf: Die Erben waren also vor Tschudi!

Die Schrift der obigen Handschrift ist unkünstlerisch, in Einzelheiten sogar roh. - Das ist nicht mehr die feine klösterliche Art der Renaissance oder Barockzeit.

Diese Nibelungen-Handschrift ist wohl gegen Ende des 18. Jahrhunderts hergestellt worden.

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Die Sankt Galler Dracula-Handschrift

aus: Cimelia Sangallensia; St. Gallen 2000, S. 175

Geschätztes Alter der Schrift: um 1780.

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Dieses Dokument ist in verschiedener Hinsicht hoch interessant.

Zum ersten ist dies eine Sammelhandschrift: Heiligenlegenden, Synodaldekrete und eine Chronik sind hier zu einem Konvolut zusammengebunden. Und darin finden sich auch auf fünf Seiten die Schauergeschichten über Dracula, genauer gesagt die pseudohistorische Gestalt des Siebenbürger Fürsten "Wlad IV. Dracul", der angeblich "im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts" geherrscht hat.

Der Trick der Geschichtsfälscher mit den Sammelhandschriften ist folgender:

Indem mehrere Texte zu einem Band gebunden werden, wird Authentizität vorgetäuscht: Seht ihr Leute, am Ausgang des 15. Jahrhunderts hat es tatsächlich diese und jene Männer und Ereignisse gegeben!

Dann ist die Schrift der Dracula-Seiten entlarvend: Das ist eine typische Schreibschrift, wie man sie in originalen Dokumenten des 18. Jahrhunderts findet. - Diese Handschrift in ein märchenhaftes "15. Jahrhundert" zurück zu versetzen, ist ungeheuerlich.

Die "Fachleute", welche diese Manuskripte studieren, sind alles ausgebildete Paläographen, die bestens Bescheid wissen. Aber ihr grenzenloser Opportunismus hindert sie, die Wahrheit zu sagen. Sie ziehen es vor, das Märchen vom schreibfreudigen Mittelalter weiter zu predigen.

Man darf nichts mehr glauben, was jene bezahlten Mittelalter-Fachleute sagen.

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Eine sogenannte Vollbibel aus Tours

aus: Cimelia Sangallensia; St. Gallen 2000, S. 49

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Das Kloster Tours war neben Sankt Gallen eines der führenden neuzeitlichen Fälscher-Klöster. - Und von jenem Ort kommen auch die sogenannten Touroner Vollbibeln, von denen auch die Stiftsbibliothek ein Exemplar besitzt.

Turoner Bibeln sind wahre Monster-Schinken: Sie bestehen aus 400 bis 450 großformatigen Pergamentseiten, welche den gesamten Bibeltext enthalten - also Altes und Neues Testament zusammen.

Meistens wurden von der Bibel nur ausgewählte Teile und Bücher als Handschriften gefertigt: Einzelne Bücher des Alten Testaments oder allerhöchstens das ganze Neue Testament kommen vor.

Der Grund für diese Fragmentierung ergibt sich aus dem Gewicht, welches Pergament-Manuskripte auf die Waage bringen und schnell die Grenze der Unhandlichkeit erreicht.

Solche Bedenken hatten die Leute von Tours und ihre Abnehmer nicht: Eine Touroner Vollbibel bringt sage und schreibe zwanzig Kilogramm (!) auf die Waage.

Steht man einmal vor einem solchen Pergament-Schinken, stellt sich der kritische Betrachter mancherlei Fragen.

Ein solches Buch-Monstrum ist für nichts zu gebrauchen, weder für die Lektüre, noch für die Liturgie. Es ist dazu bestimmt, irgendwo in einer Bibliothek gelagert zu werden.

Dabei mußte ein solches gargantueskes Manuskript gewaltige Summen gekostet haben. - Allein für das Pergament eines solches Monstrums brauchte es über 200 ausgewachsene Schafe. - Und die Schreiber müssen wohl jahrelang an diesem Endlos-Text gearbeitet haben.

Wir halten fest, daß zur gleichen Zeit, als die "mittelalterlichen" Handschriften hergestellt wurden, es schon den Buchdruck gab. Solche Vollbibeln hätte man also für einen Bruchteil der Kosten drucken können - was auch gemacht wurde.

Wozu also wurden diese Monster-Schinken aus Tours hergestellt und gekauft?

Es gibt nur eine Antwort: Die Fälscher glaubten an alles zu denken. Sie sagten sich wohl: Wem bei irgendwelchen Handschriften Zweifel am Alter und an der Herkunft aufkommen, so nicht bei einer Bibel von Tours!

Würde jemand, der bei Verstand ist, serienweise solche handgeschriebene Riesen-Bücher herstellen?

Doch gerade dies entlarvt ihre Hersteller: Wer einen solchen Unfug produziert, beweist seine schlechte und betrügerische Absicht.

Es ist eine allgemeine Tendenz des Barocks, mit einem Riesenumfang von Werken bluffen zu wollen.

Deshalb auch wurde zum Beispiel ein "Thomas von Aquin" geschrieben, der fünfzig (!) Foliobände umfaßt. - Und skrupellos wurde dieser Theologe aus der Zeit um 1780 in ein sagenhaftes "13. Jahrhundert" zurückversetzt.

Bei den Vollbibeln von Tours sind die Zuschreibungen noch frecher: Die Manuskripte sollen "im frühen 9. Jahrhundert nach Christus" hergestellt worden sein!

Glaubt jemand an den Schwachsinn von 1200-jährigen und zwanzig Kilo schweren Bibel-Handschriften?