Die Handfeste von Freiburg "1249":
eine wertlose Geschichtsquelle

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Vergleiche auch die Kritik an der Berner Handfeste von "1218".

Vgl. auch:

Beiträge zur Freiburger Historiographie des 18. und 19. Jahrhunderts.
Guillimann - Alt Berchtold - Daguet (2019)

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Die Handfeste von Freiburg,
versehen mit dem Datum "1249"

(Ausschnitt)

aus: Ernest Lehr: La handfeste de Fribourg; Lausanne 1880

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Eine Handfeste stellt eine Art Verfassungsurkunde einer Stadt dar. In ihr sind die wichtigsten zivil-, markt- und handelsrechtlichen Bestimmungen eines städtischen Gemeinwesens niedergelegt.

Bern besitzt eine solche Verfassung, die mit "1218" datierte Handfeste. Und die Handfeste von Freiburg trägt die Jahrzahl "1249".

Seit dem Beginn der kritischen Geschichtsforschung im 19. Jahrhundert ist unendlich viel Mühe, Arbeit und Geld in die Herausgabe und Interpretation von Urkunden investiert worden. Denn diese Quellen sind es vornehmlich, die ein angeblich tausendjähriges "Mittelalter" stützen.

Auch ich habe Jahrzehnte überlegt, was mit diesen "uralten", meistens auf Pergament und in Latein geschriebenen und mit einem oder mehreren Siegeln behangenen Urkunden los ist.

In meinem Werk Die alten Eidgenossen (2019) habe ich mein endgültiges Urteil über die obige Art von Quellen gefällt:

Urkunden sind historische Nonvaleurs, ein gewaltiger Stoss von wertlosem Pergament und Papier, das in den Archiven herumliegt. Diese Dokumente auch nur zu übertragen und herauszugeben, ist vergeudete Zeit und verschwendetes Geld.

Die Sache ist nämlich kurz diese: Die inhaltlich und zeitlich plausible Geschichte beginnt erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts. Und die schriftliche Überlieferung und die heutige Jahrzählung sind erst vielleicht um 1760 entstanden. Aber in der ersten Zeit wurden nur Märchen, Sagen und Legenden aufgezeichnet.

Alle schriftlichen Quellen, die wir besitzen, sind also erst ab jener Zeit geschaffen worden, ob dies nun die Bibel, die antiken Autoren, die Chroniken oder eben die Urkunden sind.

Es nützt nichts, sich dagegen zu sträuben: Die ganze "antike" und "mittelalterliche" und sogar noch frühneuzeitliche Geschichte ("Reformation"), die an Schulen und Hochschulen gelehrt wird und die in den Büchern steht, ist virtuell, also erfunden, nicht wirklich.

Die allgemeinen Erkenntnisse gelten auch im Besonderen. Wenn von einer Urkunde über Freiburg in einem sagenhaften Jahr 1249 die Rede ist, so weiß man zum Vornherein, daß es sich hier um eine Fälschung oder Erfindung handelt.

Dagegen wehrt sich noch heute eine festgefügte Riege von Mediävisten, Archivaren, Philologen, Kunsthistorikern und Archäologen, welche an einer "griechisch-römischen Antike" und an einem "Mittelalter" ("zwischen 500 und 1500 nach Christus") festhalten will.

Also wurde 1999 aus Anlaß der angeblich "750jährigen" Existenz der Freiburger Handfeste in der Stadt ein Kolloquium veranstaltet. - Die Schlußfolgerungen jenes Anlasses kann man sich ausdenken: Die Urkunde über Freiburg ist echt und stammt tatsächlich aus einem Jahr "1249 nach Christus".

Vier Jahre später sind diese gesammelten Folgerungen über die Handfeste nun im Druck erschienen (Freiburg 2003). - Was ist von diesem Werk zu halten?

Hauptsächlich ist dies eine Neuausgabe des lateinischen Textes der Handfeste, dem auch die alten deutschen und französischen Übersetzungen angefügt wurden. Die Edition wird durch einige rechtsgeschichtliche, diplomatische (=urkundenwissenschaftliche) und philologische Artikel abgerundet.

Der Leser ist erstaunt über die doch sehr nüchterne Aufmachung des Buches. Das Werk ist wissenschaftlich im konventionellen Sinne, aber ohne jede Inspiration.

Und selbstverständlich findet sich kein Hauch von Kritik an Urkunden und virtuellen Zeiten: Das "Mittelalter" hat es gegeben, so wie es in den Geschichtsbüchern steht und von Universitätsprofessoren gelehrt wird - und damit basta.

Als Illustrationen wird die behandelte Urkunde ganz und in Details, aber nur schwarzweiß abgebildet. - Da lobt man sich die alte Ausgabe von Ernest Lehr von 1880, der bereits eine farbige Reproduktion der Handfeste beigefügt wurde (vgl. die obige Abbildung).

Denn wenn man schon eine Urkunde reproduziert, dann farbig. Nur so läßt sich ein solches Dokument kritisch betrachten. Und nur so kann man die Barockzeit als tatsächliche Entstehungszeit dieser Quellen nachweisen.

Aber offenbar will man keine kritische Betrachtung.

Das Publikum soll weiter im Glauben gelassen werden, wir besäßen "uralte" Quellen, die eine achthundertjährige Stadtgeschichte belegen.

Schwer zu sagen, ob diese paar offiziellen Wissenschafter, die hier die Handfeste als authentische Geschichtsquelle aus einer märchenhaft fernen Zeit behaupten, wirklich selber daran glauben.

Man stößt sich an der oft unmöglich gewundenen und schlechthin unverständlichen Sprache, mit denen jene Edition garniert ist:

Diese an Gewißheit grenzende Vermutung wirft das Problem von entstehungsgeschichtlich zu unterscheidenden Textschichten auf, dessen Beantwortung freilich angesichts der Quellenlage nur in groben Zügen und hypothetischerweise möglich ist.

(Handfeste, 2003; 19)

Wer solche sprachliche Monstrositäten von sich gibt, beweist das Gegenteil der gemeinten Absicht: Die Handfeste von Freiburg "1249" ist also nicht eine Geschichtsquelle, sondern ein Erzeugnis der städtischen Geschichtsfälschung.

Unterdessen ist von meiner Hand die Beiträge zur Freiburger Historiographie des 18. und 19. Jahrhunderts. Guillimann - Alt - Berchtold - Daguet (Norderstedt 2019) erschienen.

Dort weise ich nach, daß die Handfeste von "1249" in dem Umkreis von Wilhelm Techtermann entstanden ist.

Dieser ist der Autor der Chronisten Guillimann, Rudella und Peter von Molsheim.

Anhang: Der Freiburger Vennerbrief

Über die angebliche mittelalterliche Geschichte Freiburgs existieren eine Menge Urkunden. - Und alle diese sind natürlich absolut authentisch, richtig datiert und enthalten den amerikanischen Gerichts-Eid: die Wahrheit, die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit!

Eben wird wieder ein solches unmögliches Dokument präsentiert: der Freiburger Vennerbrief, in vier Anfertigungen ausgestellt, und angeblich die bis 1798 gültige Verfassungsurkunde.

Aus welcher Zeit stammt diese Fälschung? Das ist nicht so leicht herauszulesen wie das überexakte Datum, "24. Juni 1404". - Aber vor dem Beginn des letzten Fünftels des 18. Jahrhunderts ist die Urkunde nicht möglich.

Eine Einzelheit:

Die in jenem Vennerbrief verwendete Anno Domini-Jahrzählung mit vier Ziffern und arabischen Zahlen ist erst etwa um 1760 aufgekommen.

Aus der Zeit vorher haben wir keine datierten Dokumente.

Jedes Schriftstück, das frühere Zeiten und Jahrzahlen behauptet, ist demzufolge gefälscht.

Und wie schon gesagt: Glaubwürdig wird die Geschichte erst etwa mit der Französischen Revolution.