Das Tannstygli (Tannstigli
oder Tannensteig
)
 bei Krauchthal

Ein rätselhafter Ort im Bernbiet

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Vergleiche auch den Artikel:
Felsaufbrüche und Felsportale
in der Region Bern

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Neue Erkenntnisse zum "Felskübel"
auf dem Tannstygli

Der Archäoastronom Walter Knaus hat im August 2019 die merkwürdige, künstlich gestaltete Felsformation des "Sods" untersucht.

Es ergab sich - was schon vorher die Vermutung war - dass in dem "Sod" astronomische Orientierungen eingearbeitet sind.

Eindeutig sind festzustellen:

eine Ost-West-Ausrichtung von 271° NW in Richtung des Sonnenuntergangs zur Zeit der Tag-und-Nacht-Gleiche,

eine Nord-Süd-Achse zur Konstruktion des "Indischen Kreises",

eine Orientierung von 54° NE in Richtung des astronomischen Sonnenaufgangs zur Zeit der Sommer-Sonnenwende.

Eine weitere Erkenntnis von Herrn Knaus:

Der Felskübel des Tannstygli gehört zu den sogenannten Vogelsteinen.

Dabei geht der Begriff nicht auf Vogel, sondern auf lateinisch facula = Fackel zurück.

Bei diesen Steinen wurden fackelartige Feuer angezündet, die von weither zu sehen war.

Anhang:

Neben den Vogelsteinen gibt es auch die Fuchsensteine. - Bei diesem Begrîff steht nicht der Fuchs dahinter, sondern lateinisch visura = Sicht-Messung.

Einen Findling namens Fuchsenstein gibt es auf dem Gurten bei Bern.

Ein Bild des Felskübels auf dem Tannensteig
mit eingezeichneten astronomischen Orientierungen

Bild: Walter Knaus, 8.2019

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Der "Sod" auf dem Tannstygli (Tannensteig).

Sicht gegen Nordwesten.

Foto: Autor, 8.8.2016

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Der "Sod" auf dem Tannstygli (Tannensteig).
Sicht von Nordwesten.

Foto: Manuel Wyss, 28.12.2015

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Der "Sod" auf dem Tannstygli.
 Aufsicht von ESE

Koordinaten: 609'630/205'150

Aufnahme: Autor, 16.8.2004

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Das Tannstygli wird auch erwähnt in dem Buch Die Ursprünge Berns
(Norderstedt 2022).

Das Tannstygli südlich von Krauchthal BE

Foto: Januar 1998

Standpunkt ist das äußere westliche Ende des Grates. Der Blick geht in Richtung Südosten gegen den langgezogenen felsigen "Burghügel". Das "Sodloch" steht unmittelbar vor der Nase des Hügels, auf dem Bild nur klein erkennbar. - Der Grat wird rechterhand nach Süden durch ein Felsband eingefaßt. - Dort finden sich die zwei Eingänge der "Schatzgräberhöhle". - Gegen Norden ist der Durchgang neben dem Hügel heute durch einen Fahrweg verbreitert.

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Südlich von Krauchthal liegt eine waldige, von zahlreichen kleinen Tälchen und Schluchten durchzogene einsame und unübersichtliche Landschaft. Nach Westen wird die Gegend durch das Lindental - ein Trockental - begrenzt. Dabei fällt die Waldgegend in einer langgezogenen eindrucksvollen Fluh, der Geismeflüh (Geismundflüh) gegen den Taleinschnitt ab.

Der erste Felskopf südlich von Krauchthal wird vom Thorberg eingenommen - ein ehemaliges Karthäuserkloster, dann der Sitz eines bernischen Landvogts und seit dem 19. Jahrhundert eine kantonale Strafanstalt.

In Luftlinie 600 m südlich vom Thorberg, und 100 m höher, liegt das Tannstygli. Es ist dies ein etwa dreihundert Meter langer und schmaler, gegen Westen gerichteter Grat, der sowohl nach Norden wie nach Süden steil abfällt und sich gegen Nordwesten biegt. Vom Westende erreicht man über mehrere Geländestufen hinab das Lindental.

Als felsige Fortsetzung des markanten westlichen Hügels mit dem Punkt 747 findet sich eine in den Sandstein gehauene kleine Anlage, bisher als Sod oder Zisterne angesprochen: eine etwa anderthalb Meter tiefe, ovale Auskolkung mit den ungefähren Massen 2.20 x 2.60 Metern. Der Hohlraum hat gegen Osten eine Art Schiessscharte und ist danach durch einen kleinen Kanal mit einer Orientierung nach NE vom anstehenden Fels abgetrennt. Zudem finden sich an den Seiten der Höhlung je eine rundliche Öffnung, diejenige gegen Südwesten geschlossen, die gegen Nordosten offen. - Die letztere hatte vielleicht ursprünglich ebenfalls einen Bogen.

Ein merkwürdiger kleiner sattelartiger Felsaufsatz im südlichen Teil des Objekts ist ebenfalls zu bemerken.  

Das Tannstygli ist ein einsamer, waldiger Ort. Dennoch ist der Grat leicht zu erreichen: Im Osten wird der Platz begrenzt durch die Kurve einer Strasse, welche zum nahegelegenen Hof Schwendi hinaufführt.

So einsam der Ort scheint, der Eindruck trügt: Gegen Norden blickt man auf den großen Komplex der Strafanstalt Thorberg hinab.  Und das Waldtal im Süden des Tannstygli ist durch eine Betonstrasse erschlossen, die zu ausgedehnten Bunkeranlagen neueren Datums führt.

Tannstygli bedeutet Tannensteig. Und während die Burgenkarte der Schweiz und die ältere Literatur den Namen als Tannstygli führt, so schreiben die heutigen Karten den Ort in der Schreibweise Tannstigli.

Das Tannstygli war keine Burg

Bisher wurde behauptet, der Tannensteig sei eine Wehranlage gewesen.

Die Burgenkarte der Schweiz 1, Beschreibung der Objekte (Wabern 1989), S. 38, wird das Objekt folgendermassen beschrieben:

Wehranlage unbekannter Zeitstellung auf felsigem Grat, ca. 600 m südlich der Strafanstalt Thorberg. Sichtbar: ein Halsgraben im Fels und ein in aufragenden Fels gehauenes Sodloch von 2 m Durchmesser bei Pt. 747. 

Die knappe Beschreibung bedarf der Erklärungen und stellt Fragen.

Ein aufmerksamer Besucher und Betrachter muß sich zuerst fragen: War das Tannstygli überhaupt eine Wehranlage, eine Erdburg?

Der Grat wäre gegen Osten leicht durch einen oder mehrere Halsgräben abzutrennen gewesen. Von solchen Abschnittsgräben ist aber nirgends eine Spur zu entdecken.

Das Tannstygli war sicher keine Burg.

Bleibt die bearbeitete Felspartie am nordwestlichen Ende des westlichen Hügels. Das eigenartige, in den Felsen gearbeitete ovale Loch wurde bisher als Sod oder Zisterne angesprochen.

Doch die genaue Beobachtung zwingt zur Feststellung: Der Felskübel war sicher keine Zisterne und kein Sod. Doch die Felspartien sind schön bearbeitet und lassen schliessen, dass das Objekt alt ist.

Die "Zisterne" ist als Felsskulptur zu sehen

Über die ursprüngliche Bedeutung der "Zisterne" auf dem Tannensteig lassen sich nur Mutmassungen anstellen.

Der Autor hält den bearbeiteten, niedrigen Felskopf für eine Skulptur.

Es könnte der Kopf eines Lindwurms, eines Drachens oder einer Schlange darstellen. Die runden, seitlichen Öffnungen wären demzufolge als Augen aufzufallen.

Man muss sich den Grat als ursprünglich waldlos darstellen.

In dem Felsoval konnte man ein Feuer entfachen. - Also wären feurige Augen und ein Feuerschweif weithin sichtbar gewesen - im Lindental und auf dem Thorberg.

Und weshalb heisst das Tal, gegen welches die Schnauze jenes Fabeltiers schaut Lindental = LIND-Wurm-Tal?

Unbedingt muss auf den Felsaufbruch Lindenfeld, am westlichen, unteren Ende des Tannstygli-Grats hingewiesen werden. In diesem Portal scheint einst ein Götterbild gestanden zu haben.

Das Felsportal Lindenfeld und die Figur auf dem Tannensteig sind in einem sinnstiftenden Zusammenhang zu sehen.

Übrigens heisst der Ostfuss des Tannstygli Gurten.

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Älterer Plan des Tannstygli, um 1900

"Refugium im Tannstygli bei Thorberg"

Diese ältere Planskizze ist in vielerlei Hinsicht ungenau und schematisch.
Der "Kanal" im Osten ist nicht nachzuweisen.

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Anhang: Die Schatzgräberhöhle am Tannstygli

Unten an dem gegen Süden schauenden Felsgrat des Tannstygli, etwa auf der Höhe des Hügels mit dem Punkt 747, bemerkt man zwei Stolleneingänge, die etwa 17 Meter tief in den Sandstein getrieben wurden. - Das ist die "Schatzgräberhöhle".

Der unterirdische Gang ist jüngeren Datums.

Der bekannte Schriftsteller Jeremias Gotthelf erzählt in seiner Novelle Der letzte Thorberger (1840) vom letzten Ritter jenes Schlosses. Dieser habe große Schätze besessen. Doch niemand habe gewußt, wo genau um Thorberg diese lagen.

Ein Genfer namens Dufour war von der Lektüre offenbar sehr angetan. Also vermutete er, die Schätze könnten im Tannstygli verborgen sein. Für eine unsinnige Schatzsuche wandte jener Mann im Jahre 1882 beträchtliche Mittel auf und ließ mehrere Leute gegen Lohn graben. So entstand der Schatzgräber-Stollen.

Tannstygli und Thorberg (Torberg)

Thorberg (Torberg)

Aquarell von Albrecht Kauw, angeblich "um 1670" = ungefähr 1770er Jahre

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museums Bern

Vergleiche den Artikel des Autors über den Maler Kauw

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Die Klosteranlage der Karthäuser ist auf diesem Bild noch vollständig erhalten. - Die "Reformation" konnte also erst ein paar Jahre oder Jahrzehnte vorbei sein.

Die Geschichtserfindung behauptet, Thorberg sei zuerst eine Burg gewesen und erst nachträglich in ein Kloster umgewandelt worden. - Das aber ist pseudohistorischer Unsinn, ebenso die angeblich frühe Säkularisation der Mönchssiedlung "1485". - Damals herrschte noch schwärzeste kulturgeschichtliche Vorzeit. - Der Anfang des heutigen Thorbergs ist vor weniger als dreihundert Jahren zu sehen.

Doch schon in "keltischer" Zeit ist auf dem heutigen Thorberg eine Siedlung oder eine Wehranlage zu vermuten.