Der Rundturm von Geristein
bei Bolligen BE:

Bollwerk oder Zierturm?

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Startseite: www.dillum.ch

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Die Burgruine Geristein wird auch behandelt
in dem neuen Buch des Autors:

Burgen rund um Bern (2024)

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Ein Video über Geristein:

Über Burgen allgemein
und den Turm von Geristein
im Besonderen

Produktion: www.brodmann.ch

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Geristein:
Ausschnitt aus einem anonymen
Aquarell
des frühen 19. Jahrhunderts

Bemerkenswert ist in diesem Bild die genaue Darstellung
des Mauerwerks von Rundturm und Ringmauer

Das Aquarell ist in dem Geristein-Buch des Autors abgebildet:

Johann Rudolf Wyss der Ältere:
Ein Abend zu Geristein und Der Ritter von Ägerten
.
Neu herausgegeben, eingeleitet und illustriert
von Christoph Pfister;
 Norderstedt 2019

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Über die Figur des Elefanten von Geristein vgl.:

Der Elefant von Geristein

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Geristein wird auch mehrmals
in dem folgenden Buch des Autors erwähnt:

Die Ursprünge Berns.
Eine historische Heimatkunde Berns und des Bernbiets.
 Mit einem autobiographischen Anhang (2022).

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Der Rundturm von Geristein
von SW her gesehen

Foto: Autor, 26.10.2018

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Geristein:
Detail des Rundturms.
Sicht von Nordosten.

Foto: Autor, 17.6.2013

Man beachte die von der Renovation
in den 1970er Jahren stammenden
unpassenden Anfügungen,
nämlich die Blöcke oben rechts
und der Mauersockel unten links.

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Geristein:
Detailansicht des Rundturms
mit seinen charakteristischen
Buckelquadern

Foto: Autor, 1997

Wie schon auf den Bildern von Kauw, Lory und Wagner,
so wächst auch heute auf der höchsten Stelle
des Turmstumpfs ein Bäumchen.

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Geristein:
Detail der Basis des Rundturms

Foto: Autor, 10.6.2016

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Geristein:
Ansicht des Rundturms
in einer Aufnahme von 1941

aus: Die Burgen und Schlösser der Schweiz.
Die Burgen und Schlösser des Kantons Bern;
Lieferung 10a: Mittelland, Emmental, Oberaargau,
Teil 1, Basel 1942, S. 85

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Geristein:
Der Rundturm in einer Aufnahme
vom beginnenden 20. Jahrhundert

Man beachte die damals noch größere Höhe
des Turmstumpfsund die heute nicht mehr vorhandene
Annehmlichkeit einer Sitzbank auf dem Plateau.

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Geristein:
Die älteste Photographie
des Turms, datiert 1875

Man beachte die damalige Höhe des Turmstumpfs,
die nicht viel weniger hoch erscheint
als bei Lory, fünfzig Jahre früher.

Die auf der Innenseite des Turms sichtbare,
rundbogig abgeschlossene Mauernische
wurde bei der Renovation in den 1970er Jahren zugemacht.

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Geristein: Plan von 1911

Der scheinbar exakte Plan der Burgstelle von 1911
mutet aus heutiger Warte skurill an:
Er zeigt Mauerzüge, die auch vor hundert Jahren
kaum bestanden haben.

aus: Die Burgen und Schlösser der Schweiz.
Die Burgen und Schlösser des Kantons Bern;
Lieferung 10a: Mittelland, Emmental, Oberaargau,
Teil 1, Basel 1942

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Geristein:
Blick auf den südlichen Halsgraben

Foto: 8.2012

Die Inschrift von J.R. Wyss
findet sich auf der hellen Felsfläche rechts.

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Der Abend zu Geristein von J.R. Wyss
als Anlaß zur Neubetrachtung von Geristein

Die vom Autor neu herausgegebene Novelle von Johann Rudolf Wyss
dem Jüngeren
Der Abend zu Geristein
von 1825 (zusammen mit der Dichtung
Der Ritter von Ägerten von 1814)
gab Anlaß, sich von neuem mit Geristein,
jenem sagenumwobenen und faszinierenden Ort
ca. 7 km nordöstlich von Bern zu befassen.

   

Geristein:
Überall einsam, doch nirgends verlassen

Foto von 2012

Inschrift an der äußeren Felswand des südlichen Halsgrabens von Geristein
(vgl. Abbildung oben).
Es ist dies ein Zitat aus J.R. Wyss: Der Abend zu Gerenstein (1825)

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Bei der Herausgabe der Novelle wurde auch die an der äußeren Wand
des südlichen Halsgrabens von Geristein sichtbare Inschrift (siehe Abbildung) interessant:
Diese wurde zweifellos von Wyss veranlaßt,
stellt ein Zitat aus seiner Erzählung dar.

Geristein:
Jahrzahl am Fuß der östlichen Felswand
unterhalb des Rundturms

Foto: Autor, 17.6.2013

Die Jahrzahl ist als J744, nicht als 1744 zu lesen.

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Der Rundturm von Geristein

Die Burg Geristein ist in der Gehrung eines spitzwinkligen Sandsteingrats angelegt, wobei zwei künstlich ausgebrochene Gräben den Platz abgetrennt haben. – Der Einschnitt nach Osten ist teilweise natürlich, aber künstlich vergrößert. - Der Graben gegen Süden ist gänzlich aus dem Felsen gehauen.

Die Ruine besteht aus den Resten eines Rundturms und einem Stück einer daran anliegenden Umfassungsmauer.  Einige Mauerspuren im Süden und Westen sind auszumachen.

Vom Rundturm ist heute noch ein beachtlicher Stumpf auf der Ost-Seite erhalten. - Alte Abbildungen und Fotos zeigen, wie der Turm kontinuierlich durch den Zahn der Zeit und die vielen Begehungen abgetragen wurde. 

Der Burgenmaler Albrecht Kauw schuf das älteste Bild von Geristein, es zeigt einen noch bis zur Krone erhaltenen Turm, der aber schon ruinös war und aus welchem schon Vegetation sproß. - Angeblich soll das schlichte Aquarell "1659" entstanden sein. Aber Kauw gehört in die Zeit nach 1770, wie der Autor in einer kunstgeschichtlichen Analyse nachweist.

Kauws Bild zeigt als Eigentümlichkeit des Turms eine pultartig abgetreppte Mauerkrone mit durchlöcherten Zinnen.

Die erdichtete Geschichte der Burg kann man glatt vergessen: Es hätte ein "Geschlecht derer von Geristein" gegeben. Und die Berner hätten die Burg „1298" zerstört. – Wie kommt man zu dieser Behauptung einer absurd frühen Zeit? – Ganz einfach deshalb, weil der Chronist „Justinger" das so erwähnt.

Doch "Justinger" ist ein historiographischer Gallimathias. Er wurde im 18. Jahrhundert - etwa gegen 1750/60 - vom Historiographen Michael Stettler verfaßt, wie ich in meinem Buch Die alten Eidgenossen. Die Entstehung der Schwyzer Eidgenossenschaft im Lichte der Geschichtskritik und die Rolle Berns (2019) nachweise.

Die Burg muß viel jünger sein. Drei bauliche Eigentümlichkeiten beweisen dies.

1) Der Rundturm von Geristein hat sehr dicke Mauern, mit 3.3 Metern an der Basis.

2) Der Turm wurde in Sandstein als Baumaterial gefügt. - Der weiche Sandstein wurde vorher nicht gebraucht.

3) Die Quader sind gegen außen mit Buckeln (Bossen) versehen. - Die Bossierung war eine neue Art der Steinbearbeitung, von der Gotik entwickelt.

Diese Eigenschaften sprechen für eine späte Entstehungszeit des Turms. Es muß die beginnende Zeit der Feuerwaffen gewesen sein. - Vor dem Beginn des zweiten Drittels des 18. Jahrhunderts - etwa in den 1740er Jahren - ist das nach der neuen Chronologie unvorstellbar.

Ein breiterer baugeschichtlicher Vergleich ergibt noch mehr: Der Rundturm von Geristein war keine Burg im klassischen Sinne, sondern ein Bollwerk, genauer gesagt ein Artilleriebau. - Für diese typologische Einordnung gibt es in ganz Europa Vergleiche (vgl. die untenstehenden Abbildungen von Lichtenstein D).

Merkwürdig beim Rundturm von Geristein ist auch das völlige Fehlen von Fenstern, Schießscharten oder einem Eingang. Auch auf den alten Abbildungen von Kauw und Lory ist nichts Derartiges zu erkennen.

Diese Merkwürdigkeiten führen zu folgendem Schluß:

Der Rundturm von Geristein  hatte keine besondere Funktion: Er wurde um seiner selbst willen erbaut.

Türme ohne Zweck sind in der Renaissance häufig. Man vergleiche als anderes Beispiel den Turm der Seeburg in Luzern.

Der Artilleriebau von Lichtenstein
bei Ebern in Unterfranken

Angeblich "1455" = gegen 1750 anzusetzen.

aus: Joachim Zeune: Burgen; Regensburg 1996, S. 104

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Wurde die Burg Geristein 1744 errichtet?

Dann beschäftigt sich der Autor von neuem mit der Jahrzahl, die am östlichen Fuß des Rundturms an der Felswand eingemeißelt ist. Die Zahl liest sich nicht als 1744, sondern als I744. - Jahrzahlen mit vorangestelltem großem oder kleinem J oder I kamen in alten Zeiten häufig vor.

Obwohl 1744 die Anno Domini-Jahrzahlen mit vier arabischen Zahlen eingeführt waren, ist das Datum noch unsicher. Aber vielleicht stellt es gleichwohl die erste plausible Jahrzahl in Stein auf Berner Gebiet dar.

Nach Meinung des Autors ist der Rundturm von Geristein in der Epoche der Gotik, in den 1740er Jahren entstanden.

Im Bernbiet ist ebenfalls die Jahrzahl J755 am Lychleustein bei Möschberg (Gemeinde Oberthal) zu erwähnen. - Auch diese hat einen hohen Grad an chronologischer Plausibilität.

Die Höhle auf der Burg Geristein

Geristein:
Die Höhle unter dem Burgplateau.
Ansicht von Westen.

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Geristein:
D
ie Höhle unter dem Burgplateau.
Ansicht von Westen.

Fotos: 27.7.2012

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Fragen zu Geristein

Geristein:
D
ie Nische auf der Innenseite
des südlichen Halsgrabens

Foto: 7.2012

Die Nischenform ist überdeutlich.
Ebenfalls sind darin noch die Spuren einer Verankerung
für ein Kultbild zu erkennen.

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Geristein birgt viele Rätsel:

Der Rundturm selbst steht irgendwie fast deplaziert in der recht einsamen Gegend.

Die Nische an der Innenwand des südlichen Halsgrabens (siehe Abbildung) verweist auf einen Pilger- und Kultort.

Die künstlich geschaffenen bizarren Felsformen am südlichen Felsgrat von Geristein, besonders der Felstorbogen "Elefant" und der mächtige Felszahn (oder Phallus?) belegen die Bedeutung des Ortes in der jüngeren Vorgeschichte.

Doch auch die Höhle unter dem Westrand des Burgplateaus von Geristein (vgl. die obigen Abbildungen) stellt Fragen, die sich nicht beantworten lassen: War dies eine Kult-Höhle; wurde sie als Geburtsstätte eines Gottes angesehen?

Die schön ausgemeißelte Öffnung von rundlicher Form, aber auch das Innere mit dem ovalen Grundriß lassen keinen Zweifel, daß die Kaverne von Geristein alt ist und in den gleichen Zusammenhang wie der Turm, die Nische und die Felsformen gehört.

Der Ortsname beweist diese Zuschreibung: GEREN kommt von hebräisch ger, MZ: ger'im = Pilger

Die Höhle von Geristein hat eine Verwandtschaft
mit dem Maul des Monsters
im sogenannten Parco dei Mostri von Bomarzo in Mittelitalien.

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