Die Glorifizierung des angeblichen Bundesbriefs der Eidgenossenschaft von "1291" hat in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu kuriosen Übertreibungen geführt.

Am Merkwürdigsten ist die Arbeit eines Staatsarchivars, der sich mit einem Monumentalwerk von 575 (!) Seiten mit diesem Dokument befasst und dabei jedes Wort akribisch auseinander nimmt:

Walther ab HOHLENSTEIN

Der Urschweizer Bundesbrief 1291. Untersuchungen zur immanenten Bestimmung seines Zeugnisses.

St. Gallen 1956. 575 Seiten.

**********************************************************

Urkunden sind historische Nonvaleurs, ein gewaltiger Stoss von wertlosem Pergament und Papier, das in den Archiven herumliegt. Diese Dokumente auch nur zu übertragen und herauszugeben, ist vergeudete Zeit und verschwendetes Geld.

Die alten Eidgenossen (2022):
Die Entstehung der Schwyzer Eidgenossenschaft
im Lichte der Geschichtskritik und die Rolle Berns

"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""

2006 schlug eine Gruppe ungenannter Geldgeber vor, 1 Million Franken aufzuwenden, um den Bundesbrief zu kaufen. - Damit solle verhindert werden, daß dieser für eine Schweizer Ausstellung nach Philadelphia USA ausgeliehen werde.

Wenn man weiß, daß der Bundesbrief wie alle anderen Urkunden wertlose Geschichtsquellen darstellen, so erstaunt ein solcher Vorschlag.

Wäre es nicht an der Zeit, ein neues historisches Selbstverständnis der Schweiz aufzubauen? - Also könnte man auch die oben genannte Summe für etwas Gescheiteres verwenden!

Der Bundesbrief von "1291" in der lateinischen Fassung

aus: Josef Wiget: Das Bundesbriefarchiv in Schwyz; Bern 1986, S. 23

***********************************************************

Schaut man sich das pergamentene und mit Siegeln versehene Dokument kritisch an, so versteht man den Rummel nicht, des um diese Urkunde gemacht wurde.

Die wahren Gründe, die dazu führten, daß man dieses Stück Pergament auf ein Podest hob und dafür sogar ein eigenes Museum baute, liegen an anderen Orten. - Der Patriotismus des späten 19. Jahrhunderts und der Wille zur nationalen Selbstbehauptung in den 1930er und 1940er Jahren sind als Gründe zu nennen.

Die fehlende Kritik gegenüber solchen windigen Geschichtsquellen hat Folgen. - Noch glaubt man an eine Geschichte der alten Eidgenossen, die es nicht gegeben hat (Entstehung der Eidgenossenschaft am Vierwaldstätter See, Rütlischwur, Morgarten, usw.), für die es keine authentischen Belege gibt und chronologisch vollkommen absurd ist ("vor 700 Jahren").

Tell - die Bundesgründung - der Bundesbrief

2004 war wieder ein Jubiläums-Jahr: zum zweihundertsten Mal jährt sich die Uraufführung von Friedrich Schillers Drama Wilhelm Tell. Dazu wurde das Schauspiel sogar auf dem Rütli am Vierwaldstätter See aufgeführt.

Mit Wilhelm Tell kommen sofort wieder Fragen zu dieser Sagengestalt hoch: Hat es diesen Freiheitshelden gegeben oder ist er Fiktion?

Der Name Tell ist mit der angeblichen Gründungsgeschichte der Waldstätte verbunden. - Damit verbunden ist die Quellenfrage, besonders um die berühmte Urkunde von "1291 AD": Ist der Bundesbrief echt oder eine Fälschung? - Wann wurde der Bund der Eidgenossen wirklich gegründet und wie?

Schillers Drama Wilhelm Tell hat einen festen Platz im nationalen Schauspiel-Repertoire: In Interlaken und in Altdorf finden jährlich Tell-Festspiele statt. - Dies soll hier kein Thema sein.

Die Gestalt Wilhelm Tells wird heute auch von der Geschichtswissenschaft als Legende betrachtet. - Der Historiker Karl Meyer war der letzte, der während des letzten Weltkrieges noch gewagt hatte, den Freiheits-Heroen mit spitzfindigen Argumenten als real hinzustellen.

Bei der Bundesgründung "um 1300" jedoch winden sich die offiziellen Wissenschafter um eine klare Aussage. Es wird anerkannt, daß die Quellen mehrdeutig und unzuverlässig sind. - Auch gesteht man widerwillig die dürftige Quellenbasis ein: Neben dem Bundesbrief bildet das sogenannte Weiße Buch von Sarnen die einzige Chronik, welches über jene angeblichen Ereignisse berichtet.

Der berühmte, mit "1291 AD" datierte Bundesbrief wird sogar ausgesprochen zurückhaltend beurteilt. Es gibt Forscher, die immer noch an der Echtheit festhalten. Andere jedoch bringen Einwände. - Aber auch hier fehlt eine klare Meinung. - Man hat den Eindruck, es werde bei den drei Themen Tell, Bundesgründung und Bundesbrief mehr gemauschelt als artikuliert.

Die Geschichts- und Chronologiekritik

Seit Jahren befasse ich mich mit der älteren Geschichte und habe hier die Geschichts- und Chronologiekritik als wissenschaftliche Berufung entdeckt.

Die Geschichtskritik besagt kurz Folgendes:

Die ältere Geschichte, so wie sie in den meisten Büchern steht und in Schulen und an Universitäten gelehrt wird, stimmt nicht.

Unsere Fähigkeit, in die Vergangenheit zurückzublicken und dort zuverlässige Informationen zu gewinnen, ist beschränkt.

Die Kulturgeschichte ist einzuteilen in Geschichte und Vorgeschichte. Die erste kennen wir, die zweite ist und bleibt für uns dunkel. Über die Kulturen der Vorzeit können wir nur Mutmaßungen anstellen.

Die nachweisbare kulturelle Vergangenheit der Menschheit ist viel kürzer als angenommen. - "Die alten Römer" zum Beispiel können kaum vor mehr als dreihundert Jahren aufgetreten sein.

Nach meinen Erkenntnissen beginnt die inhaltlich und zeitlich glaubwürdige Geschichte erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

Die Mär von den alten Eidgenossen
und Wilhelm Tell

Über meine Erkenntnisse der Geschichts- und Chronologiekritik habe ich 2019 ein Buch unter dem Titel Die Matrix der alten Geschichte (2021) herausgegeben.

Nach der Veröffentlichung der Matrix nahm ich mir die ältere Schweizergeschichte vor. Frucht dieser Untersuchungen ist das Buch Bern und die alten Eidgenossen. Die Entstehung der Schwyzer Eidgenossenschaft im Lichte der Geschichtskritik (2019).

Im gleichen Jahr veröffentlichte ich daraus in einem gesonderten Artikel meine Analyse der Tell-Gestalt: Wilhelm Tell: ein Jesus-Mörder.

Eine Fülle verwandter Artikel zu schweizergeschichtlichen und heimatkundlichen Themen ist auf meiner Web-Seite abzurufen.

Besonders möchte ich auch auf die zweite wichtige Quelle zu Tell und der Befreiungslegende hinweisen, nämlich das Weiße Buch von Sarnen.

Die Erkenntnisse meiner Betrachtungen zur Geschichte der alten Eidgenossen sind kurz folgende:

Die alte Eidgenossenschaft wird erst im Laufe des 18. Jahrhundert greifbar. Wir wissen nicht, wie dieses politische Gebilde entstanden ist, weil wir nur Ergebnisse, keine historische Entwicklung fassen können.

Die angebliche alte Geschichte der Eidgenossen, die Helvetier, die Bundesgründung der Waldstätte, die Schlachten, die Reformation, ist erst nach 1760 geschrieben und mit Quellen ausgestattet worden.

Bern spielte eine führende Rolle bei der Geschichtserfindung. Die Befreiungsgeschichte und sogar Wilhelm Tell sind eine Berner Erfindung.

Der Bund der Eidgenossen ist nicht in den Waldstätten, sondern in den großen Städten, besonders Bern, Luzern und Zürich - im Schweizer Mittelland - entstanden.

Die Region um den Vierwaldstätter See als geographischer Ursprung des Schwyzerbundes zu bezeichnen, ist Ergebnis eines fremden politischen Diktats im 18. Jahrhundert und hat nichts mit Geschichte zu tun.

Die Gestalt Wilhelm Tell war in der ursprünglichen Fassung der Mörder von Jesus, nicht eines Tyrannen.

Was ist der Bundesbrief von 1291?

Der Bundesbrief ist eine Urkunde, auf Pergament geschrieben und mit drei Siegeln behangen, wobei der von Schwyz abgerissen ist. - Mehr kann man über dieses Dokument in neutraler Weise nicht sagen. - Alles Weitere ist Kritik, sind Einwände, gar Zorn.

Urkunden als wertlose Geschichtsquellen

Urkunden sind nach etwa 1770 geschrieben worden. - Vor dieser Zeit hat noch keines dieser Dokumente bestanden - weil es noch keine Schriftkultur gab.

Falsch sind die Diplome aus mehreren Gründen:

  • Die Zeitrechnungen (Anno Domini, Indiktionen), die sie verwenden, sind erst kurz vor der Mitte des 18. Jahrhunderts geschaffen worden.

  • Das feststehende Urkundenformular kann vorher nicht bestanden haben.

  • Die Ortsnamen, auch die meisten darin vorkommenden Personennamen, sind erst gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts möglich.

  • Die Urkundenschriften sind gleich wie die "mittelalterlichen" Buchschriften ein Kunstprodukt. Mit ihnen sollte, wie mit dem Pergament und den Siegeln, ein hohes Alter vorgetäuscht werden.

  • Die meisten Urkunden werden nirgends zitiert und haben keine nachweisbare Wirkung ausgeübt. Diese Dokumente wurden für die Bibliotheken und Archive hergestellt.

Einwände gegen den Bundesbrief von "1291"

Neben den allgemeinen Einwänden gegen die Urkunden als Geschichtsquellen, fallen beim Bundesbrief auch besondere Unstimmigkeiten auf.

Zum ersten Mal wird der Bundesbrief von 1291 in dem Inventar des Schwyzer Archivs des Landschreibers Franz Anton Frischberg im Jahre "1724" erwähnt. - Doch damit ist erst die virtuelle Existenz dieses Dokuments bestätigt.

Das mit 1291 datierte Diplom sei um "1760" in Basel von dem Gelehrten Johann Heinrich Gleser herausgegeben worden.

Aber "1760" ist zu früh für diese Urkunde. Man muss Generationen dazuzählen.

Wahrscheinlich ist der Bundesbrief von 1291 erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts fabriziert worden.

Die Urkunden-Gläubigen reden sich aus, das Dokument sei bloß zeitweilig in Vergessenheit geraten. - Tatsächlich muß man den Zeitpunkt der Entdeckung mit dem Zeitpunkt der Erschaffung gleichsetzen.

Die Umstände und die Zeit der Entdeckung des Bundesbriefes weisen auf den schweizerischen Patriotismus der Aufklärungszeit und die Neue Helvetische Gesellschaft von Isaak Iselin hin.

Der Bundesbrief zeigt sich für den Urkunden-Kenner von der äußerlichen Erscheinung als sehr nüchtern. - Die Initialen sind dürftig ausgearbeitet; die sonst vorhandenen barocken Schlaufen fehlen.

Der Inhalt der Urkunde ist merkwürdig verschwommen und allgemein. - Ihm fehlen die komplizierten Wendungen, die in der Urkunden-Herstellung üblich waren.

Verschiedene Widersprüche sind schon den Forschern des 19. Jahrhunderts aufgefallen:

Die Urkunde von "1291" spricht von den "Leuten der unteren Talschaft von Unterwalden", also Nidwalden. - Das Siegel aber schließt Obwalden ein.

Und besonders fehlen die Erwähnung eines Schreibers und des Ausstellungsorts - Dinge, die sonst in jeder Urkunde vorkommen. Auch ein Notar wird nicht genannt.

Die Urkunde hat auch kein genaues Datum. Was soll das heissen "am Anfang des Monats August"?

Neueste ärgerliche Versuche, den Bundesbrief
als authentisches Dokument zu retten

Man kann noch so viele Einwände bringen, ein paar Ewiggestrige versuchen unentwegt, ein unhaltbares Dokument - damit auch ein unhaltbares "Mittelalter" zu retten, das nicht mehr zu retten ist.

In dem Buch Die Entstehung der Schweiz. Vom Bundesbrief 1291 zur nationalen Geschichtskultur des 20. Jahrhunderts (Schwyz 1999) werden gleich zwei solche untauglichen Versuche präsentiert.

Ein Professor für historische Hilfswissenschaften untersucht den Bundesbrief und kommt zum Schluß, daß dieser wohl tatsächlich in die Zeit "um 1300" passe.

Bei dieser Argumentation beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz:

Wie soll man eine Urkunde mit der Jahrzahl 1291 als echt bezeichnen, wenn alle diese Dokumente frühestens nach 1780 geschrieben wurden? - Die eine Fälschung widerlegt die andere - oder stützt sie.

Dann wird über ein naturwissenschaftliches Experiment berichtet, das an dem Bundesbrief vorgenommen wurde.

Tierhaut ist bekanntlich ein organischer Stoff. Also könnte man Proben von Urkunden-Beschreibstoffen mit der berühmt-berüchtigten C 14-Methode auf ihr Alter untersuchen.

Für den Bundesbrief von Schwyz wurde dieses Experiment um 1991 tatsächlich durchgeführt.

Das Ergebnis hätte ich vorher gewußt: Die Forscher kamen zum Schluß, daß der Bundesbrief um "1300" geschrieben worden ist - also ein Alter von 700 Jahren aufweist.

Die C 14-Methode, die Radiokarbonanalyse, ist ein naturwissenschaftlicher Hokuspokus, ein untaugliches Mittel der Altersbestimmung. Trotzdem zitieren besonders Archäologen gerne die angeblich felsenfesten Laborergebnisse ihrer Kollegen von den "exakten" Wissenschaften.

Die beiden Forscher Hans-Ulrich Niemitz und Christian Blöss haben bereits vor etlichen Jahren eine erschöpfende Kritik an den Grundlagen und Ergebnissen der C 14 Methode veröffentlicht, welche die Schuldigen natürlich großzügig ignorieren: C 14 Crash. Das Ende der Illusion, mit Radiokarbonmethode und Dendrochronologie datieren zu können (Mantis Verlag: Gräfelfing 1997).

Mit der skandalösen Radiokarbonmethode lassen sich Zeiträume und Ereignisse stützen, die es nie gegeben hat. Also ist die Schweizerische Eidgenossenschaft tatsächlich vor 700 Jahren gegründet worden. - Die Geschichtskritik kann zusammenpacken. Alle Dinge haben sich so und zu solchen Zeiten zugetragen, wie es in den Büchern steht und wie es im Hörsaal erzählt wird!

IM NAMEN GOTTES AMEN - beginnt die deutsche Übersetzung des windigen Bundesbriefs von "1291.

*************************************

 2005, 2019,2021