Die Henzi-Verschwörung
von angeblich „1749“
in Bern

Ein neu aufgetauchtes Dokument
soll diese erfundene Geschichte beweisen.

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Zwei Reproduktionen aus dem 2019 aufgetauchten Dokument
über den Henzi-Handel, geschrieben "1749"

Das gebundene Schriftstück ist vom Schriftbild her
ins frühe 19. Jahrhundert zu setzen.

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Ein obskures Dokument

Fast pünktlich zum Beginn der Sommerferien 2019, hat das Staatsarchiv Bern ein handgeschriebenes Dokument der medialen Öffentlichkeit präsentiert.

Dieses soll beweisen, daß es tatsächlich einen Samuel Henzi gegeben habe, der "1749" einen Umsturz der Berner Regierung geplant hat.

Das Schriftstück von „1749“ soll ganze 220 Jahre verschollen gewesen sein.

Dann habe es jemand öffentlich gemacht.

Darauf habe das Staatsarchiv Bern den Besitzer überzeugen können, dieses der Institution zu übergeben.

Schon die Überlieferungsgeschichte stimmt verdächtig:

Ein Dokument soll verschollen, aber dennoch bekannt gewesen sein.

Und durch wundersame Fügung sei es nach Jahrhunderten wieder in öffentlichen Besitz gekommen.

Wer glaubt die Geschichte, wer kann sie nachprüfen?

Die Henzi-Geschichte ist eine Erfindung von Berns Ancien Régime

Nach der Geschichts- und Chronologiekritik ist die oben erwähnte Geschichte unmöglich. Das angebliche Dokument ist erst später hergestellt worden.

Ein paar Eckpunkte genügen, um die Geschichte und die Datierung des Schriftstücks zu widerlegen:

Ø     Um 1750 hat die Schriftkultur noch nicht begonnen.

Ø     Um 1750 war die heutige Jahrzählung AD (Anno Domini) erst im Entstehen.

Ø     Archive und Bibliotheken sind erst etwa ab 1760 entstanden.

Ø     Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts sind keine inhaltlich und zeitlich wahren Dokumente überliefert.

Ø     Bis etwa 1800 hatte niemand ein Interesse, wahre Geschichte zu schreiben.

Ø     Die Gestalt und der Umsturzversuch von Henzi können erst zwischen 1789 und 1798 geschaffen worden sein.

Der deutsche Dichter Gotthold Ephraim Lessing verfasste - angeblich 1753 - ein Drama Samuel Henzi. Aber jener Schriftsteller hat wie alle anderen Personen des 18. Jahrhunderts gefälschte Lebensdaten. - Die eine Falschdatierung bedingt die andere:

Lessing kann erst gegen 1800 gewirkt haben.

Ø     Die Schrift des oben genannten Dokuments weist in das frühe 19. Jahrhundert.

Ø     Bern erfand kurz vor oder noch nach dem Beginn der Französischen Revolution zwei Geschichten, um mögliche Aufrührer und Revolutionäre zu warnen und abzuschrecken:

den Umsturzversuch von Major Davel im Waadtland „1723“ und die Henzi-Verschwörung für Bern „1749“.

Ø     Die Henzi-Geschichte ist geschichtsanalytisch besonders interessant:

Der Name HENZI klingt wie RIENZI (Cola di Rienzo), der angebliche Aufrührer im spätmittelalterlichen Rom.

Bern bediente sich also der mittelalterlichen Geschichte um ein abschreckendes historisches Exempel zu konstruieren.

Was ist die Absicht, die Henzi-Geschichte wiederum in die Öffentlichkeit zu bringen?

Ein manifestes Motiv haben sicher die offiziellen Archivare und Historiker. Diese brauchen Sensationen, um eine Geschichte zu beweisen, die es nicht gegeben hat.

Die groteske Quellengläubigkeit dieser Leute lässt sie vergessen, dass es auch eine Quellenkritik geben sollte. - Diese aber wird ignoriert.

Der gemeinsame Nenner solcher Unternehmen lässt sich etwa so ausdrücken:

Glaubt ihr Leute, glaubt! Es hat diese Geschichte gegeben und hier sind die Beweisstücke!

Für den Geschichtsanalytiker sind solche Entdeckungen jedoch durchsichtig und ärgerlich.

Die Henzi-Fabel kann erst in den 1790er Jahren entstanden sein.

Vor Jahren deklamierte ein Schauspieler in der Altstadt von Bern die Geschichte von Henzi.

Man kann daraus schließen, daß Aufrührer und Revolutionäre – überhaupt alle Außenseiter – heute eine besondere Aufmerksamkeit genießen.

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23.7.2019                                                                                        

P.S: Es gibt auch ein Porträt in Öl eines Bibliothekars im alten Bern vor 1798:
Dieser hiess Samuel Cornelius Henzi!